Windenergieanlagen werden immer größer und damit auch die mechanischen Belastungen für die Komponenten. Das einströmende Windfeld überdeckt eine zunehmend größere Fläche. In der Entwicklung neuer Windenergieanlagen spielen darum Modelle, als Basis neuer Anlagendesigns, eine wichtige Rolle. Diese Modelle wurden an kleineren Anlagen entwickelt und finden auch heute noch Verwendung. Aber, wie valide sind diese Modelle für die immer größeren Anlagen? Prüfstandmessungen sind ebenfalls ein wichtiger Aspekt in der Anlagenentwicklung. Wie gut bilden Prüfstandmessungen die Realität ab? Diese und weitere Fragen haben wir im Projekt „Testfeld BHV“ untersucht.
Umfangreiche Messungen an der AD8-180 in Bremerhaven
Von 2018 bis 2022 führten wir umfangreiche Messungen an der Forschungswindenergieanlage AD8-180 in Bremerhaven durch. Zum Zeitpunkt ihrer Errichtung 2017 war die AD8-180 die größte Windenergieanlage weltweit. Die Ergebnisse helfen uns dabei, unsere Prüfstandmessungen kontinuierlich zu präzisieren und mithilfe der generierten Daten, die Simulationsmodelle zu validieren. Somit haben wir eine gute Datengrundlage für ein besseres Verständnis der Windenergieanlagen und deren Entwicklung. Wir können damit das Anlagendesign, insbesondere großer Anlagen verbessern.
Im Rahmen des öffentlich geförderten Projektes Testfeld BHV und angegliederten Projekten installierten wir umfangreiche Messsysteme an der AD8-180:
- Lastvermessung nach IEC61400-13,
- Leistungsvermessung nach IEC 61400-12-1 und weiterführende Leistungsmessungen,
- zusätzlich die Vermessung der Biegelinie an fünf Radien in allen drei Rotorblättern,
- Beschleunigungsmessungen in einem Rotorblatt, u. a. zur Analyse der Torsion des Rotorblatts,
- Vermessung der aerodynamischen Umströmung des Rotorblatts,
- Beschleunigungsmessungen auf dem Triebstrang
- und akustische Messungen.
Parallel dazu führten wir umfangreiche Windmessungen durch – vor, auf und hinter der Anlage, mit insgesamt mehr als zehn Wind-Lidar-Geräten (Lidar für Light detection and ranging) und einem IEC-konformen Windmessmasten bis Nabenhöhe. Zusätzlich standen uns SCADA-Daten und das Anlagenmodell des Herstellers aus dem Design- und Zertifizierungsprozess zur Verfügung. In Kooperation mit weiteren Fraunhofer-Instituten und anderen Partnern konnten wir neuartige Sensoren einsetzen und testen (z. B. ein Vibrometer gemeinsam mit dem Fraunhofer IOSB).
Ergebnisabgleich: im Feld und auf dem Prüfstand
Ein Fokus des Projektes war der direkte Vergleich von Feld- und Prüfstandmessungen am Dynamic Nacelle Testing Laboratory (DyNaLab). Wir untersuchten, ob sich das Schwingungsverhalten des Antriebsstrangs einer Windenergieanlage auf einem Gondelprüfstand nachbilden und damit auch analysieren lässt. Der Schwerpunkt lag dabei auf den stärksten Anregungen, die durch den Zahneingriff der beiden Getriebestufen induziert wurden. Die Gondel der AD8-180 war bereits im Vorfeld zum Testen auf dem Gondelprüfstand. Für einen direkten Vergleich führten wir die mechanische Vermessung des Triebstrangs mit 27 3D-Beschleunigungssensoren auf dem Prüfstand an den identischen Positionen wie im Feldversuch durch. Erste Ergebnisse wurden bereits veröffentlicht [1]. Eine Herausforderung beim Vergleich der Messungen waren die auftretenden Unterschiede, die den verschiedenen Rahmenbedingungen zugrunde lagen: Während wir im Prüfstand einzelne Situationen konkret nachstellen konnten, waren im Feldversuch die äußeren Bedingungen komplex und nur teilweise erfass- und reproduzierbar. Die Belastung des Triebstrangs hängt vom eingehenden Windfeld ab, das nicht bis ins kleinste Detail erfasst werden kann. Unsere Ergebnisse zeigen, dass trotz dieser Herausforderungen die im Feldversuch gemessenen Schwingungen infolge des Getriebe-Zahneingriffs, einer der Haupterregerquellen, auf dem Prüfstand gut reproduzierbar sind. Schwingungen, die durch die Eigenschaften des Prüfstands-Antriebs induziert werden, sind zudem eindeutig identifizierbar. Die auf dem Prüfstand und im Feld angeregten Eigenfrequenzen sind hinsichtlich der Frequenz und der Modenform zum Teil vergleichbar. Insbesondere die den Biegebewegungen zugeordneten Moden für den Antriebsstrang stimmen im Feld und auf dem Prüfstand überein. Somit konnten wir zeigen, dass die Ergebnisse einer Schwingungsanalyse eines Antriebstrangs, die auf einem Gondelprüfstand durchgeführt wurde, auch für die Anlage im Feld wertvoll sind. Somit kann diese Aufgabe im Rahmen einer Gondeltestkampagne für Anlagenhersteller kostengünstig und effizient durchgeführt werden.
Aerodynamische Messungen und Simulation
Eine weitere hier exemplarisch vorgestellte Messung war die aerodynamische Vermessung an einem Rotorblatt der AD8. Dazu installierten wir im Rahmen des Projektes HighRe an zwei Radien je eine mit Drucksensoren ausgestattete Schale auf der Außenseite eines Rotorblatts. Zusätzlich installierten wir an beiden Radien eine 5-Punkt-Loch-Sonde, die die Anströmung um das Rotorblatt in etwa 1,5 m vor der Vorderkante gemessen hat, sodass der lokale Staudruck eliminiert werden konnte [2, 3]. Anhand dieser Daten ließen sich zeitlich hoch aufgelöst die aerodynamischen Drücke in Abhängigkeit von der Einströmung in bestimmten Blattsegmenten vermessen. Dies ermöglicht, aerodynamische und aeroelastische Modelle und Simulationen jeder Art zu validieren [4].
Validierung der Simulationsmodelle
Um die Güte von Simulationsmodellen zu bewerten, werden Simulationsergebnisse mit gemessenen Lasten verglichen. Dabei ist es wichtig, dass Modell und reale Anlage den gleichen Umgebungsbedingungen unterliegen. Für jede aero-servo-elastische Simulation mit dem Tool MoWiT, dessen Modell auf dem Anlagenmodell des Herstellers beruht, verwenden wir eine Windfelddatei als Input. Diese Windfelddatei muss möglichst gut den Wind darstellen, der zum Zeitpunkt der realen Messung im Feld existierte. Dies ist eine große Herausforderung, bei der die detaillierten Windmessungen jedoch sehr hilfreich sind.
Bezüglich des Gesamtanlagenverhaltens konnten wir zeigen, dass die simulierten Lasten an der Blattwurzel gut mit den gemessenen Lasten übereinstimmen. [5] Die Leistung zeigte zwar noch Abweichungen, jedoch konnten wir veranschaulichen, dass zeitreihenbedingte Windfelder es ermöglichen, spezifische 10‑Minuten-Simulation zu reproduzieren. [5] Basierend auf einem Pitch-Manöver zeigten wir, dass die gemessenen Frequenzen gut mit simulierten Torsionsfrequenzen übereinstimmen. Hinsichtlich des Torsionsmoments während PowerProduction war die Identifizierung der Eigenfrequenzen der Torsionsmoden weitaus weniger eindeutig. Dies könnte darauf hindeuten, dass das Modell anhand von Messdaten kalibriert werden sollte und, dass die der Modalanalyse zugrunde liegende Linearitätsannahme bei diesen langen Rotorblättern verletzt sein könnte. [6] Die Methodik zum Vergleich von vielen Simulationen mit vielen Messungen und der daraus resultierenden Bewertung der Modellgüte bauen wir weiter aus. [7]
Daten schaffen wichtige Grundlage für weitere Projekte
Erste Publikationen zur Analyse der torsionalen Deformation [6], zur aerodynamischen Vermessung, zur Validierung des MoWiT-Lastmodells, sowie zu verschiedenen Aspekten der umfangreichen Windfeldmessungen [8] [9] [10] [11] wurden bereits veröffentlicht. Weitere Publikationen präsentierten unsere Kolleginnen und Kollegen dieses Jahr auf der Torque Conference in Florenz sowie auf der WindEurope in Dublin. Weitere Präsentationen und Veröffentlichungen sind in Vorbereitung.
Im Rahmen der Projekte Testfeld und HighRe ist eine umfangreiche Datensammlung aus Mess- und Modelldaten von Windenergieanlagen entstanden, die eine einzigartige Datengrundlage für die Wissenschaft darstellt. In bereits laufenden Projekten nutzt das IWES diese Daten bspw. für die Entwicklung von KI-Methoden. Dafür sind auch künftig weitere Projekte gemeinsam mit Industrie- und Forschungspartnern geplant.
Quellen:
[1] K. Eustorgi, S. Mechler und A. Wegner, „Comparison of wind turbine drive train loads measured in the field and on a nacelle test bench,“ in Conference for Wind Power Drives, Aachen, Germany, 2021.
[2] M. Fredebohm, J. N. Theron, L. Höning, S. Weis, B. Stoevesandt, A. Wegner, N. Denecke, H. Rosemann und M. L. Huhn, „Development of an aerodynamic measurement system for wind turbines,“ Journal of Physics: Conference Series, Bd. 2507, p. 012020, 2023.
[3] A. Wegner, S. Mechler, L. Höning, N. Denecke und B. Stoevesandt, „Aerodynamic conditions measured at a rotor blade of large wind turbine prototype,“ Journal of Physics: Conference Series, Nr. 022024, p. 2767, 2024.
[4] L. Höning, P. Meyer, M. L. Huhn, J. N. Theron, P. Thomas, A. Wegner, S. Mechler, J. Gottschall und B. Stoevesandt, „Validating low- and high-fidelity simulations of a yawed 8 MW wind turbine against measurements,“ Journal of Physics: Conference Series, Bd. 022038, Nr. 2767, 2024.
[5] M. Huhn und A. F. Gómez-Mejía, „Aeroelastic model validation with 8 MW field measurements: Influence of constrained turbulence with focus on power performance,“ Journal of Physics: Conference Series, Bd. 2265, p. 032058, 2022.
[6] A. Wegner, M. L. Huhn, S. Mechler und P. Thomas, „Identification of torsional frequencies of a large rotor blade based on measurement and simulation data,“ Journal of Physics: Conference Series, Bd. 2265, p. 032021, 2022.
[7] P. J. Meyer, M. L. Huhn und J. Gottschall, „Development of a Load Model Validation Framework Applied to Synthetic Turbulent Wind Field Evaluation,“ Energies, Bd. 17, Nr. 4, p. 797, 2024.
[8] P. Meyer und J. Gottschall, „Evaluation of the „fan scan“ based on three combined nacelle lidars for advanced wind field characterisation,“ Journal of Physics: Conference Series, Bd. 2265, Nr. 022107, 2022.
[9] L.-Y. Hung, P. Santos und J. Gottschall, „A comprehensive procedure to process scanning lidar data for engineering wake model validation,“ Journal of Physics: Conference Series, Bd. 2265, Nr. 022091, 2022.
[10] A. Giyanani, M. Sjöholm, G. R. Thorsen, J. Schuhmacher und J. Gottschall, „Wind speed reconstruction from three synchronized short-range WindScanner lidars in a large wind turbine inflow field campaign and the associated uncertainties,“ Journal of Physics: Conference Series, Bd. 022032, Nr. 2265, 2022.
[11] P. J. Meyer, A. Giyanani und J. Gottschall, „Constrained synthetic wind fields from high-resolution 3D WindScanner measurements,“ Journal of Physics: Conference Series, Bd. 042036, Nr. 2767, 2024.
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