Lidar-Boje auf der Fläche N-7.2

Wellen, Boje, Offshore-Windenergie: Windmessung in der Deutschen Bucht

In der Deutschen Bucht, östlich des Windparks Bard Offshore 1, schwammen im letzten Jahr zeitweise Fraunhofer IWES Wind-Lidar-Bojen. Diese gelben Bojen in der Nordsee sorgen dafür, dass umfassende Windmessdaten und meteorologische Messgrößen präzise erfasst und ausgewertet werden können. Die Messergebnisse von Windverhältnissen, insbesondere Windgeschwindigkeit und -richtung, tragen zu einer effizienten, wirtschaftlichen Auslegung der zukünftigen Offshore-Windparks bei.

Boje auf der Fläche N-7.2
Abbildung 1: Boje auf der Fläche N-7.2 (© Fraunhofer IWES/Christian Tietjen)

Warum messen wir den Wind in der Deutschen Bucht?

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hat im Jahr 2019 die Fläche N-7.2 für eine meteorologische Messung, im Rahmen der Voruntersuchungen, ausgeschrieben. Wir haben diesen Auftrag mit IWES Expert*innen für Windmessung und -charakterisierung durchgeführt.

Während der 12-monatigen Voruntersuchungen im Rahme des Flächenentwicklungsplans (FEP) haben wir die Windverhältnisse, insbesondere Windrichtung und Windgeschwindigkeit in der Deutschen Bucht gemessen. Zusätzlich sollten weitere meteorologische Messgrößen erfasst werden, wie bspw. Temperatur, Luftdruck und -feuchte. Die Ergebnisse unserer Messungen werden zusätzlich durch einen unabhängigen Dritten überprüft und anschließend den möglichen Betreibern der zukünftigen Windparks durch das BSH zur Verfügung gestellt. Anhand der Messdaten können diese den zukünftigen Offshore-Windpark auslegen, ein Ertragsgutachten erstellen und somit die Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens sicherstellen. Auf der Fläche N-7.2 kam die am Fraunhofer IWES in Bremerhaven entwickelte Light Detection and Ranging Windmessboje, kurz Lidar-Boje, zum Einsatz, um hier eine Bestimmung des Windes mit einer Technologie auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik durchzuführen. Die Boje ist mit einer Gesamthöhe von knapp 10 m nicht klein und wiegt rund 6 Tonnen.

Was ist besonders an der Fraunhofer IWES Lidar Boje?

Die Konstruktion der IWES Wind-Lidar-Boje basiert auf einem seit über 40 Jahren erprobten Design einer konventionellen Navigationsboje. Damit diese Navigationsboje im Bereich der Windmessung eingesetzt werden kann, wurden Anpassungen vorgenommen:

Diese Boje ist ausgerüstet mit einem Lidargerät für die Windmessung, das vollständig von einer speziell angefertigten Aluminium-Einhausung umgeben ist. So ist das hochsensible Gerät hermetisch vor den Umwelteinflüssen des Meeres, insbesondere dem Wellenschlag, geschützt. Neben dem Lidar-Hauptmessgerät ist weitere Sensorik für die Erfassung der Bojenbewegungen und die genaue GPS-Position installiert.

Zusätzlich sind Sensoren für die Messung weiterer Umweltparameter verbaut. Genauso wichtig ist das robuste Energieversorgungssystem, um auch bei harscher See den Betrieb aufrecht zu erhalten.

Abmessungen der Lidar-Boje
Abbildung 2: Die Abmessungen der Lidar-Boje (© Fraunhofer IWES)

Warum messen wir mit einer Boje und wie kommt sie überhaupt in die Nordsee?

Der Einsatz der Boje bietet den Vorteil, dass auf die Installation und Rückbau eines Offshore-Messmastes verzichtet werden kann. Das spart Geld, denn die Kosten einer Messung mit der Wind-Lidar-Boje sind mindestens um das 10-15-fach geringer als die Kosten eines Messmastes. Zudem ist der Genehmigungs- und Installationsprozess einer Windmess-Boje, die auch mobiler einsetzbar ist, deutlich kürzer.

Wichtig für den gesamten Messzeitraum ist es, eine hohe System- und Datenverfügbarkeit der Boje sicherzustellen, um möglichst viele aussagekräftige Messdaten dem zukünftigen Betreiber des Windparks zur Verfügung stellen zu können. Somit sind ein robustes Bojen-Design und Energieversorgungskonzept die wichtigsten Aspekte, um der rauen See mit den Aufbauten nur 3 Meter oberhalb der Wasserlinie zu trotzen.

Auch wichtig ist eine gut organisierte Logistik: Dies betrifft nicht nur die erstmalige Ausbringung der Boje auf die zu vermessende Fläche und die finale Einholung nach Beendigung der Messung, sondern auch schnelle Reaktionen bei möglichen Ausfällen. Der Zeitraum eines Datenverlustes sollte so gering wie möglich gehalten werden, denn er kann zu immensen Auswirkungen auf die Messung führen.

Zur Sicherung einer hohen Systemverfügbarkeit ist ein Zusammenspiel von diesen Faktoren unabdingbar:

  • Gute Wetterbedingungen – eine geringe Wellenhöhe aufgrund der Größe und des Gewichts der Boje bei Kranarbeiten ist erforderlich,
  • Schiffsverfügbarkeit, inkl. notwendiger Einsatzunterlagen,
  • Ersatzteilverfügbarkeit,
  • Personalverfügbarkeit,
  • Logistikverfügbarkeit – Tieflader und Autokräne, Reisemittel für das Einsatzteam und Zollfreigaben

Die Durchführung dieser sogenannten „Offshore Operations“ bedürfen einer lückenlosen Vorbereitung. Sofern alle oben genannten Punkte zusammenspielen, ist es bei einem Bojenausfall oder einem Defekt einer verbauten Komponente möglich, innerhalb weniger Tage die Boje anzufahren und die Reparatur durchzuführen.

Boje wird verladen auf Deck
Abbildung 3: Boje wird verladen auf Deck (© Fraunhofer IWES/Christian Tietjen)

Nach erfolgreicher Ausbringung wird die Lage der Boje auf den Seekarten vermerkt, sodass auch der umliegende Schiffsverkehr eine Information über deren genaue Position erhält, vgl. Abbildung 4.

Darstellung der Boje auf der Seekarte innerhalb der Sicherheitszone von FINO3 während der Verifikationsmessung vor Messbeginn auf BSH N-7.2
Abbildung 4: Darstellung der Boje auf der Seekarte (roter Kreis) innerhalb der Sicherheitszone von FINO3 während der Verifikationsmessung vor Messbeginn auf BSH N-7.2 (Quelle: OpenSeaMap)

Und was machen wir mit dem umfangreichen Datensatz?

Vor der eigentlichen Messung wird die Boje an einem IEC-konformen Messmast in der Nordsee verifiziert. Die Vergleichsmessung – in unserem Fall an FINO3 – dient der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Funktion der Boje und Richtigkeit der Windmessung. Anschließend wird die Boje in das zu vermessende Seegebiet verlegt.

Die Systemverfügbarkeit über den gesamten Messzeitraum auf der Fläche N-7.2 liegt bei 91,86%. Die wenigen Zeiträume, in denen es zu einem Messausfall kam, haben wir durch modellierte Zeitreihen aufgefüllt, basierend auf WRF-Daten (Weather, Research and Forecasting), die für die Position der Fläche N-7.2 mittels der MCP Methode (measure correlate predict) korrigiert wurden.

Bereits während der Messung werden die aufgenommenen Daten ausgewertet, analysiert und plausibilisiert. Hierfür nutzen wir unsere eigens entwickelte Software, die die Messdaten korrigiert, denn auftretende Bojenbewegungen, verursacht durch Wind und Wellen, beeinflussen die gemessenen Werte.

In einem Abschlussbericht werden anschließend alle Messdaten erneut ausgewertet und zusammengefasst. In diesem Bericht werden vordergründig Windrichtungen und -geschwindigkeiten in unterschiedlichen Plots dargestellt, bspw. Windrosen und Weibull-Verteilungen der Windgeschwindigkeit. Außerdem wird die Messunsicherheit quantifiziert und Angaben zu der ermittelten Turbulenzintensität gemacht.

Wie geht es nach den Messungen weiter?

Mit der Messung auf der Fläche N-7.2 haben wir die erste kommerzielle 12-monatige Messung mit einem FLS (Floating Lidar System) in der Deutschen Bucht durchgeführt. Wir gehen davon aus, dass hier zukünftig primär die Flächenvorerkundungen in den Offshore-Ausbaugebieten durch schwimmende Lidar-Messungen durchgeführt werden. Dies ist erforderlich, da die Entfernung der zu vermessenden Flächen zum Festland und zu weiteren benachbarten Offshore-Strukturen zu groß ist. Mit dem Einsatz dieser schwimmenden Lidar-Messungen zieht Deutschland mit Ländern wie dem Vereinigten Königreich gleich, in denen bereits verstärkt Lidar-Bojen zur Windpotenzialmessung eingesetzt werden.

Das IWES ist auch außerhalb der Deutschen Bucht aktiv: Aktuell vermessen wir beispielsweise mit zwei Lidar-Bojen in einem weiteren Auftrag des BSH die Fläche N-9, bestehend aus drei Teilflächen (N-9.1 bis N-9.3). Seit 2017 sind zwei Fraunhofer IWES Wind-Lidar-Bojen in schottischen Gewässern platziert, um die dortigen Windverhältnisse für Ausbaugebiete zu erkunden. Neben vier weiteren – derzeit noch im Bau befindlichen – Lidar-Bojen, betreibt das IWES auch zwei weitere Lidar-Bojen in Forschungsprojekten. Neben der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Lidar-Bojen-Technologie im Rahmen von geförderten Projekten, erarbeiten wir auch Standards zur Windmessung mit Floating Lidar Systemen (z.B. IEC 61400-50-4).

Mit unserer wissenschaftlichen Kompetenz und den langjährigen Erfahrungswerten im Bereich der Windmessung leistet das IWES einen wichtigen Beitrag zur effizienten Flächennutzung für die Windenergiebranche.

Quellen

  • OpenSeaMap: Startseite / abgerufen am 11.2.2022 um 13:49 Uhr
  • Garrad Hassan & Partners Ltd, DNV KEMA, M. MacDonald, ECN, Frazer-Nash Conultancy, DNV GL, Multiversum Consulting und Fraunhofer IWES, „Accelerator Roadmap for the Commercial Acceptance of Floating LiDAR Technology,“ Carbon Trust Offshore Wind, 2018, Version 2.0.
  • J. Gottschall und M. Dörenkämper, „Understanding and mitigating the impact of data gaps on offshore wind resource estimates,“ Wind Energ. Sci., 6, 505–520, 2021.

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