Gondelprüfungen für künftige Windenergieanlagen – Was bringt die Zukunft?

In den letzten Jahren konnte man ein schnelles Größenwachstum sowohl der Onshore- wie auch der Offshore-Windenergieanlagen (WEA) beobachten. Gleichzeitig wächst der Wettbewerb in der gesamten Windindustrie, wobei WEA-Hersteller darauf abzielen, ihr Produkt so schnell wie möglich auf den Markt zu bringen. Erfolgreiche und schnelle Prüfungen für Prototypen sind hier entscheidend. Der Grund dafür? Nun, die Prüfungen stellen sicher, dass die notwendige Produktzuverlässigkeit erreicht wird und helfen, die Produkte schnellstmöglich auf den Markt zu bringen.

Verbesserung der gegenwärtigen Methodik!

Feldmesskampagnen sind der klassische Weg, komplette WEA zu testen, und sind für eine Typenzertifizierung zwingend vorgeschrieben. Eine vollständige Zertifizierungskampagne dauert aber normalerweise mehrere Jahre. Diese lange Zeit stellt einen signifikanten Kostenfaktor in der Entwicklung der Windenergieanlagen dar und ist entscheidend für die Produkteinführungszeit. Daher wurden in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte bei der Suche nach Alternativen zu klassischen Feldtests erzielt, was zur Entwicklung mehrerer Gondelprüfstände weltweit führte. Diese Einrichtungen bieten Prüfmöglichkeiten auf Systemebene für die vollständige Gondel. Ein Ziel dabei ist, realitätsnahe Lasten in mehreren Freiheitsgraden aufzuprägen, vergleichbar mit den Belastungen der Triebstrangkomponenten im Betrieb der WEA. Man muss nicht mehr auf ideale Windbedingungen warten – der Prüfstand kann die gewünschten Windbedingungen wie benötigt nachbilden!

Veränderung ist gut!

Gondelprüfungen auf Systemebene sind ein ziemlich neuer Ansatz im Vergleich zu anderen Aspekten der WEA-Validierung. Neben ihrer Hauptverwendung wurden Gondelprüfstände auch eingesetzt, um neue Methoden der Drehmomentmessung und der Effizienzbestimmung des Antriebsstrangs zu entwickeln [1] [2], sowie für die Entwicklung und Validierung neuartiger Triebstrang- und Generatortechnologien [3]. Auch wenn Gondelprüfstände aufgrund physikalischer Limitierungen Feldmesskampagnen nicht vollständig ersetzen können, stellen sie doch eine Alternative dar, um zertifizierungsrelevante Prüfungen durchzuführen und so die Anzahl der notwendigen Feldtests zu reduzieren. Das Ziel des IEC Technical Committee 88 ist es, einheitliche Prüfabläufe für Gondelprüfstände zu spezifizieren und Systemanforderungen an einen Gondelprüfstand sowie Prüf- und Messverfahren zu definieren. Es ist zu erwarten, dass in der nahen Zukunft Gondelprüfstände mit Hardware-in-the-Loop (HiL)-Systemen einen wesentlichen Beitrag zur elektrischen Zertifizierung von WEA leisten werden.

Machen wir sie immer größer?

Der sich beschleunigende Trend hin zu immer größeren WEA und höheren Nennleistungen hat die Anforderungen an existierende Gondelprüfstände erhöht. Viele von ihnen sind bereits heute zu klein (oder werden es bald sein), um die wachsenden Lastanforderungen bei Prüfungen größerer WEA zu erfüllen. Bisher wurden neue und größere Prüfstände gebaut, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Allerdings ist dieser fortgesetzte Trend möglicherweise keine nachhaltige Lösung. Einige der vorhersehbaren Herausforderungen für zukünftige Gondelprüfstände sind beispielsweise:

  • Akzeptable Prüfkosten
  • Aufbringen von hochdynamischen Lasten und Drehmomenten im Bereich von mehreren MNm mit hoher Genauigkeit und dynamischer Bandbreite
  • Sicherstellen einer zuverlässigen Testdurchführung und der Stabilität der Regelung für das integrierte System mechanischer Komponenten und der komplexen elektrischen Regelung während der HiL-Prüfungen.
Abbildung 1: Entwicklungstrend der Gondelprüfeinrichtungen über die Jahre, ©Fraunhofer IWES/Muhammad Omer Siddiqui [4]

Unsere bereits vorhandenen Möglichkeiten optimal nutzen

Unserer Meinung nach werden intelligente Lösungen zur Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten existierender Gondelprüfstände und zur Maximierung ihres Nutzens für die Prüfung zukünftiger WEA benötigt: beispielsweise durch Verbesserung und Optimierung der schon vorhandenen Infrastrukturen anstelle des Neubaus. Die neuesten Entwicklungen und der erfolgreiche Einsatz der kombinierten Anwendung von physikalischen Tests mit Simulationen in Automobil-, Bahn- sowie Luft- und Raumfahrtindustrie sind vielversprechend. Das Vorbild anderer Industriebranchen und Versuche mit der kombinierten Verwendung physikalischer und simulativer Prüfverfahren können dabei helfen, Lösungen für einige der aktuellen Herausforderungen für Gondelprüfungen zu finden. Wir glauben, dass eine mögliche Lösung in der Kombination von physikalischen und virtuellen Prüfkonzepten liegt, um das Leistungsvermögen des Prüfstands zu erweitern. Diese Art des ‚hybriden Testens‘ kann dabei helfen, Prüfkosten zu reduzieren. In unserem nächsten Blogartikel werden wir das Konzept des hybriden Prüfens näher vorstellen.

Quellen:

[1] H. Zhang und M. Neshati, „An effective method of determining the drive-train efficiency of wind turbines with high accuracy,“ Journal of Physics: Conference Series, 2018.
[2] H. Zhang, J. Wenske, A. Reuter und M. Neshati, „Proposals for a practical calibration method for mechanical torque measurement on the wind turbine drive train under test on a test bench,“ Wind Energy, Bd. 23, Nr. 4, pp. 1048-1062, 2020.
[3] H. Kyling, N. Eich und P. Feja, „Measuring MNm torques as part of a prototype testing campaign of a high-temperature superconducting generator for wind turbine application in the scope of the Ecoswing project,“ Journal of Physics: Conference Series, Bd. 1222, 2019.
[4] M. O. Siddiqui, P. R. Feja, P. Borowski, H. Kyling, A. R. Nejad und J. Wenske, „Wind Turbine Nacelle Testing: State-of-the-Art and Development Trends,“ [Manuscript submitted for publication], 2023.

Mehr Informationen hier:

Windparkoptimierung: Mehr Ertrag durch intelligente Betriebsführung
Vereinte Windenergie-Kompetenzen für virtuelle Turbinenmodelle

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert