Eine klebrige Lösung: IWES geht die Herausforderungen bei der Fertigung von Rotorblättern mit dem Variable Glue Applicator an

Autoren: Tim Schumacher, Lisa Bösch, Matthias Lindermann

Je länger das Rotorblatt, desto größer ist die erforderliche Klebstoffmenge, um die beiden Blattschalen miteinander zu verbinden. Derzeit benötigen Rotorblatthersteller für ein etwa 80 Meter langes Rotorblatt etwa eine Tonne Klebstoff und somit fallen hohe Kosten an. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen am Fraunhofer IWES haben daher ihre Erfahrungen aus einem Jahrzehnt Forschung in der Herstellung von Rotorblättern eingebracht und eine Lösung entwickelt, die den Prozess der Klebstoffapplikation vereinfacht und verbessert: den Variable Glue Applicator (VGA). Der VGA kann die korrekte Menge an Klebstoff genau dort auftragen, wo er benötigt wird, und ermöglicht damit ein Einsparpotential von 10 bis 20 Prozent pro Rotorblatt. Bei einem 80-Meter-Rotorblatt entspricht dies etwa 200 Kilogramm Klebstoff, was zu immensen Kostenersparnissen für die Rotorblatthersteller führt. Ein weiterer Vorteil ist, dass der VGA den kontinuierlichen Auftrag des Klebstoffs ermöglicht, somit die Qualität der Klebenaht verbessert und daher die Lebensdauer der Rotorblätter verlängert. Die weitere Automatisierung der Klebstoffapplikation verkürzt die Herstellungszeit, was bei immer länger werdenden Rotorblättern wichtig ist, erlaubt aber auch eine hohe und reproduzierbare Auftragsqualität.

Derzeitiger Stand der Technik bei der Rotorblattverklebung

Die Applikation der Klebepasten stellt in der Serienproduktion von Rotorblättern für Windenergieanlagen einen zeitkritischen Prozess aufgrund der Topfzeit des Materials dar. Die strukturelle Klebepaste zum Verbinden von Halbschalen und Stegen wird derzeit mithilfe eines Satzes Klebeschuhe oder einer Konturschablone aufgetragen, die den Querschnitt der gewünschten Raupengeometrie definiert (Abb. 1). Daher müssen entlang eines Blattes diese Klebeschuhe mehrere Male an sogenannten Profilübergangspunkten ausgewechselt werden. Diese Wechsel unterbrechen den Auftragsprozess und das Dosiersystem. Folglich sind diese Profilübergangspunkte Stellen, an denen Lufteinschlüsse in Klebstoffnähten oder Mischprobleme durch den Neustart der Dosieranlage gehäuft auftreten. Lufteinschlüsse in Klebenähten führen zu einer Spannungskonzentration, die Tunnelrisse verursachen kann, die sich im Betrieb in die Blattstruktur hinein ausbreiten können (Rosemeier et al., 2019). Die Unterbrechung des Dosieranlagenbetriebs kann das Mischverhältnis von Klebstoffharz und Härter beeinflussen, was wiederum die Festigkeit des gehärteten Klebstoffs negativ beeinflussen kann. Zusätzlich resultiert der standardmäßig manuelle Auftragsprozess mit Klebeschuhen in einer von Blatt zu Blatt unterschiedlichen Auftragsmenge der Klebstoffpaste. Dieser menschliche Einflussfaktor kann dazu führen, dass sich die Klebstoffmengen von verschiedenen Blättern signifikant unterscheiden können.

Vorteile des VGA 

Der Klebstoffapplikator VGA wurde entwickelt, um die zuvor beschriebenen Nachteile zu überwinden. Er unterstützt halbautomatisch die Applikation der Klebstoffpaste durch eine stetige Anpassung der entsprechenden Geometrie des Querschnittprofils der Klebenaht. Dadurch entfällt die Notwendigkeit, den Prozess zu unterbrechen. Der VGA verhindert dadurch das Auftreten von Lufteinschlüssen an Profilübergangspunkten und falsche Mischverhältnisse von Klebstoffharz und Härter. Vergleichsstudien mit dem VGA haben den traditionellen Auftragsprozess herausgefordert und offenbart, dass der VGA die Zykluszeit des Hauptformwerkzeugs verkürzt und durch Eliminierung des menschlichen Einflussfaktors die Auftragsmenge des Klebstoffs bei verringerter Variabilität reduziert.  

Der VGA kann die Kosten pro Blatt verringern, weil sowohl die Zykluszeiten des Hauptformwerkzeugs als auch die Materialmenge verringert werden. Die verbesserte Qualität der Klebenähte bedeutet, dass der VGA die Anzahl der Zyklen bis zum Auftreten von Tunnelrissen im Feld erhöhen kann, was sich in einer geringeren Anzahl an Reparaturen und verringerten Ausfallzeiten niederschlägt, und so die Betriebsausgaben reduziert. Weiterhin bringt er spezielle Merkmale mit sich, wie einen hochelastischen Silikon-Inliner, eine Anpassung an unterschiedliche Geometrien, schnelle Profilwechsel, leichte Handhabung und minimalen Reinigungsaufwand. Mit diesen Merkmalen kann der VGA den Klebstoff für die Rotorblätter in unterschiedlichen Geometrien auftragen, beispielsweise dreieckigen oder trapezförmigen Geometrien, ohne dass Werkzeugwechsel notwendig sind. Das spart Zeit und daher Geld, weil mit der üblichen Technik bei jedem Werkzeugwechsel unterschiedliche Werkzeugteile angebracht werden müssen, was auch das Risiko von Luftblasen im Klebstoff erhöht. Insgesamt kann der VGA so die gemittelten Energieerzeugungskosten (LCOE) der Windenergie verringern.

Abbildung 1: Verfahren zum Auftragen der Klebepaste: a) generische Klebefuge an einer Profilübergangsstelle, die mit einer Konturschablone aufgetragen wird; b) Auftragen der Klebepaste neuartig mit dem VGA; c) Profilübergang mit dem VGA. © Fraunhofer IWES

Genehmigter Arbeitsablauf und weitere Schritte: Entwicklung des nächsten Prototyps

Die IWES-Wissenschaftler haben den gesamten Arbeitsablauf in mehreren Forschungsprojekten, wie MultiMonitor, ReliaBlade, oder RadkomQS in Lemwerder, wo fünf 30-Meter-Rotorblätter für die Forschung hergestellt wurden, überprüft. Genauer gesagt, wurde die Verklebung des Schubstegs als auch die Verklebung der Vorder- und Hinterkanten getestet. Ebenfalls wurden Tests an 70-Meter-Plus- und 80-Meter-Plus-Blättern in der Serienproduktion erfolgreich durchgeführt. 

Die Wissenschaftler integrierten den VGA in die Automatisierungsumgebung im BladeMaker-DemoCenter in Bremerhaven. Im DemoCenter kann der VGA mit einem 6-Achsen-Brückenportal verbunden werden, wobei dasselbe Programm die Bewegungen und Aktionen der VGA und der Dosieranlage steuert. Es ist ebenfalls geplant, Oberflächenscanner hinzuzufügen, um auf Produktionsabweichungen reagieren und den Klebstoffauftrag dokumentieren zu können. Weitere Arbeiten werden die Machbarkeit des unterstützten Klebstoffauftrags mithilfe der VGA und kollaborativen Robotern (Cobots) untersuchen.

Kurzvorstellung des Variable Glue Applicator. © Fraunhofer IWES
Fügeprozess bei Rotorblättern durch verkleben der zwei Blatthälften. © Fraunhofer IWES

Quelle:
M. Rosemeier, A. Krimmer, A. Bardenhagen, A. Antoniou: „Tunneling Crack Initiation in Trailing-Edge Bond Lines of Wind-Turbine Blades“, 2019.

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