Wie steigern resonanzbasierte Prüfmethoden die Effizienz und die Lebensdauer von Tragstrukturen?

Ein effizienter Materialeinsatz und eine lange Lebensdauer sind wichtige Zielgrößen bei der Optimierung von Offshore-Windenergieanlagen. Für zukünftige, größere Tragstrukturen, die insbesondere in Windparks größerer Wassertiefe zu erwarten sind, wird das Verhalten der Gründung, also die Bodeneigenschaften zusammen mit der Boden-Strukturinteraktion sowie dem gesamtdynamischen Verhalten der Anlage eine zentrale Rolle bei der exakten Bemessung und Abschätzung der Lebensdauer spielen. Sowohl für Gründungs- und Tragstrukturen als auch für Komponenten oder Verbindungselemente der Tragstruktur können beschleunigte Lebensdauertests wichtige Erkenntnisse liefern. Bei großen Monopiles können sich beispielsweise unter zyklischen Belastungen Veränderungen im horizontalen Tragverhalten ergeben und zu Unsicherheiten in der Dauerschwingfestigkeit der Gesamtanlage führen. Wertvolle Erkenntnisse dazu können aus großmaßstäblichen Modellversuchen im nordseetypischen Sandboden abgeleitet werden, die das Fraunhofer IWES seit dem Jahr 2015 im Testzentrum für Tragstrukturen (TTH) Hannover durchführt.

Belastungseinrichtungen für physikalische Modellversuche

Das Fraunhofer IWES testet Tragstrukturen, wie etwa den Monopiles, im großskaligen Maßstabsmodell. Dafür führen die Wissenschaftler*innen mithilfe von entsprechend leistungsfähigen servohydraulischen Aktuatoren in einer zehn Meter tiefen Grundbauversuchsgrube statische Belastungsversuche durch. Die Grundbauversuchsgrube befindet sich im Testzentrum Tragstrukturen und wird in Kooperation mit der Leibniz Universität Hannover genutzt.

Bei zyklischen Belastungsversuchen an Monopiles in der Grundbauversuchsgrube liegt eine typische Belastungsfrequenz mit servohydraulischen Aktuatoren bei etwa 0,3 Hertz (Hz). Für einzelne Belastungsstufen mit beispielsweise 100.000 Lastwechseln ergibt sich dann eine Prüfdauer von jeweils 92,5 h. Der Zeitaufwand einer gesamten Versuchsreihe kann daher erheblich sein, sodass  geprüft werden sollte, ob Versuchsziele auch mit niedrigeren Lastwechselzahlen erreicht werden könnten oder aber höhere Belastungsfrequenzen realisierbar wären.

Neben servohydraulischen Aktuatoren, steht als zweite Belastungsoption der elektrodynamische Shaker zur Verfügung (2). Er ist ausgestattet mit Linearantrieben, die eine Masse entlang eines geradlinigen Verfahrwegs beschleunigen und so die gewünschte Reaktionskraft erzeugen und das System somit beispielsweise in eine harmonische Schwingung versetzen. Das IWES setzt den Shaker für experimentelle Modalanalysen ein und kann so durch Veränderungen im Eigenschwingungsverhalten auf geänderte Gründungseigenschaften rückschließen. Das Belastungsspektrum ist dabei sehr variabel. Die erreichbaren Kräfte sind durch die Größe der Reaktionsmassen, deren maximaler Beschleunigung und, insbesondere bei kleinen Frequenzen, durch den nutzbaren Verfahrweg beschränkt.

Eine dritte Belastungsoption (3) zum Lasteintrag stellen Elektrovibratoren dar. Dabei werden in diesem System Drehstrom-Asynchronmaschinen mit rotierenden und verstellbaren Unwuchtmassen versehen und über Frequenzumrichter betrieben. Mit einer Regeleinheit können zwei Motorpaare zu einem System zusammengeschaltet werden. Dadurch erhalten die Wissenschaftler*innen ein regelbares Unwuchterregersystem, das bei gegebener Drehzahl sowohl in seiner resultierenden Wirkungsgröße als auch in seiner Wirkungsrichtung variabel ist.

Anwendungsspektrum resonanzbasierter Prüfmethoden

Der Vorteil einer resonanzbasierten Belastung liegt darin, dass ein Widerlager nicht benötigt wird. In den oben genannten resonanzbasierten Belastungsoptionen (2) und (3) ist eine Belastungssituation unter gegebener Mittellast daher nicht ohne weiteres möglich. Da sowohl Richtung als auch Größe der Belastung mit der dritten Belastungsoption (3), also den Elektrovibratoren, vorgegeben werden können, steht damit ein flexibel einsetzbares und langlebiges Belastungssystem am IWES zur Verfügung. Gegenüber einer servohydraulischen Belastung führt das System neben kürzeren Versuchszeiten auch zu einer dynamisch vergrößerten Belastung. Wird eine zehnfach gesteigerte Belastungsfrequenz und eine unter dynamischer Anregung erzielte Verstärkung der Strukturbelastung von Faktor 10 angenommen, so lassen sich zehnmal mehr Lastzyklen bei deutlicher Energieeinsparung realisieren. Wird neben dem Verstärkungsfaktor und der höheren Belastungsfrequenz auch der hohe, nicht benötigte, Leistungsbedarf einer Hydraulikanlage berücksichtigt, ergeben sich mögliche Effizienzsteigerungen von etwa 1:1000.

Erfahrungen im Projekt ResoWind

Im Forschungsprojekt ResoWind hat das IWES erstmalig am TTH resonanzbasierte Prüfmethoden umgesetzt und an einer Stahlrohrstruktur im Spannfeld erprobt, siehe Abbildung 1. Das dabei verwendete Regelungssystem haben die Expert*innen auf seine Anwendbarkeit getestet. Die oben genannten Funktionalitäten eines aus zwei Motorpaaren bestehenden Unwuchterregersystems konnten dabei erfolgreich evaluiert werden.

Versuchsaufbau zur Inbetriebnahme des Unwuchterregersystems
Abbildung 1: Versuchsaufbau zur Inbetriebnahme des Unwuchterregersystems. (a) Stahlrohrturm als Ersatzsystem eines Prüfkörpers. Ansichten des Unwuchterregers mit vier synchron betriebenen Unwuchtmotoren (b) mit gekennzeichneten Unwuchtmassenpositionen im Betrieb von oben und (c) von unten. © Fraunhofer IWES

In der Grundbauversuchsgrube wurde ein resonanzbasierter Versuch an einem großskaligen Monopilemodell entworfen, siehe Abbildung 2. Dabei kamen alle oben genannten Optionen zur Belastung des Monopiles zum Einsatz, siehe Abbildung 3. Insbesondere wurde das Unwuchterregersystem mit dem servohydraulischen Belastungssystem verglichen, indem die Belastungsstufen des resonanzbasierten Systems in Form von Spannungsschwingweiten am Turmfuß gemessen und mit Hilfe des servohydraulischen Belastungssystems in vergleichbaren Belastungsstufen bzw. Schwingwegen nachgefahren wurden. Messtechnisch aufgezeichnet wurden dabei sowohl Dehnungen am Turm bzw. im Pfahl als auch die Reaktion des Bodens mittels Porenwasser- und Erddruckgebern. Zur Beobachtung des strukturdynamischen Verhaltens wurden die horizontalen Beschleunigungen und die in der Lastebene auftretenden Bewegungsamplituden mittels Laserwegaufnehmern aufgezeichnet. Den Wissenschaftler*innen stehen die Daten nun für weitere Analysen und für eine gezielte Optimierung des Belastungssystems zur Verfügung.

Aufbau des resonanzbasierten Versuchsstand
Abbildung 2: Aufbau des resonanzbasierten Versuchsstands als CAD-Modell mit Monopile in der Grundbauversuchsgrube, Lasteinleitungsstruktur, elektrodynamischen Shaker, Unwuchterreger und Sensorik. © Fraunhofer IWES
Abbildung 3: Video des schwingenden Systems während der resonanzbasierten Prüfung. Auf dem Foto sind neben den drei Belastungssystemen auch die Laserwegsensoren zu sehen. Am vorderen rechten Unwuchterreger sind die oberen beiden Unwuchtmassen sichtbar. © Fraunhofer IWES

Numerische Simulationsumgebung als virtuelles Experiment

Die IWES-Wissenschaftler*innen haben im Vorfeld numerische Modelle abgeleitet, um das Versuchssystem zu dimensionieren und die dynamischen Strukturreaktionen abzuschätzen. Die Messergebnisse dienen nun der weiteren Verifikation des Versuchssystems. Sie stehen auch zur Validierung verschiedener Modelleigenschaften, wie

  • der Boden-Struktur-Interaktion und insbesondere
  • der Wirkungsweise des Porenwassers in der Kontaktzone sowie
  • der Umsetzung von Dämpfungseigenschaften

zur Verfügung. Validierte numerische Simulationsmodelle des Gründungssystems werden dabei helfen, die Einflüsse veränderlicher Bodeneigenschaften auf die Interaktion von Gründung und Gesamtanlage genauer vorhersagen zu können.

Mehr Informationen hier:

Forschungsprojekte (fraunhofer.de)
Tragstrukturen und Gründung (fraunhofer.de)
Testzentrum Tragstrukturen Hannover (Leibniz Universität Hannover)

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