GreenUp Sahara – zweimal ausgezeichnet und international auf Kurs

Zum Start in das neue Jahr 2021 wünschen wir euch noch Gesundheit und Zuversicht. Auf das, dass wir gemeinsam mit euch weiterhin kluge und kreativen Lösungen realisieren können! Das vergangene Jahr begann für unser Herzensprojekt sehr turbulent. Alles kam anders als geplant: mit der Reisewarnung des Auswärtigen Amts aufgrund der unübersichtlichen politischen Lage in Algerien waren unsere Reisepläne passé und mit der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 mussten wir unser Forschungsprojekt neu organisieren.

Wir haben uns nicht entmutigen lassen: den Kontakt zur Bevölkerung vor Ort halten wir über WhatsApp und Skype aufrecht. Mit Taleb Brahim, der seit langem im Flüchtlingscamp in Algerien lebt und dort als Ingenieur arbeitet, stimmen wir uns regelmäßig zu seinen und unseren Fortschritten ab. Mit diesen Grundlagen starteten wir im Sommer unsere ersten Versuche zur organischen Nährstofflösung für Hydrokulturen in ariden Gebieten. Über den Forschungsstand und mit welchen erfreulichen News wir 2020 abschließen konnten, berichten wir im Folgenden.

Zwei Preise für »GreenUp Sahara«

»GreenUp Sahara« ist auch innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft zum Herzensprojekt vieler Kolleginnen und Kollegen geworden: Im November waren wir für den Publikumspreis des Fraunhofer-Kommunikationspreis nominiert. Dessen Jury setzt sich aus internen und externen Kommunikations- und Medienexperten zusammen. Die finale Abstimmung über den Publikumspreis treffen allerdings unsere Kolleginnen und Kollegen. In einem 90-sekündigem Elevator-Pitch konnten wir mit »GreenUp Sahara« – der ersten Crowdfunding-Kampagne der Fraunhofer-Gesellschaft – überzeugen und durften das Preisgeld von 2 000€ zugunsten des Projekts entgegennehmen.

Marcs und Alexandras Elevator-Pitch-Video zum Fraunhofer-Kommunikationspreis

Im Dezember waren wir für den Fraunhofer-Alumni-Award »TECHNOLOGY4DEVELOPMENT« nominiert. Diesmal konnten die Mitglieder des Fraunhofer-Alumni e. V. in einer öffentlichen Abstimmung ihr Votum abgeben. Auch hier war die Konkurrenz groß. Den Preis hätte wohl jedes Projekt verdient, dann alle haben die gleiche Vision: die Welt ein Stückchen besser machen. Dass die Wahl schließlich auf »GreenUp Sahara« fiel, löste digitale Jubelschreie bei unsrem Team aus. Weitere 10 000€ fließen so ins Projekt. Wir wünschen den Kolleginnen und Kollegen der Projekte BiNiFe (Fraunhofer-UMSICHT), Ich liebe Fisch (Fraunhofer EMB) und »Roberta« trifft die »Impacters« (Fraunhofer IAIS) auf ihrem weiteren Weg viel Erfolg!


Unser Video zum Fraunhofer-Alumni-Award

Wir sind überglücklich über diese Preise, denn sie sichern die weiteren Schritte unseres Forschungsprojekts. Und sie zeigen, dass Crowdfunding eine Hebelwirkung mit sich bringen kann. Die Crowdfunding-Kampagne legte mit all ihren Unterstützerinnen und Unterstützern den Grundstein für unser Vorhaben und gab dem Projekt eine Bühne. Mit dieser Strahlkraft konnten wir weitere Menschen und Geldgeber überzeugen.

Unsere Versuche lösten sich quasi in Luft auf

Im Sommer 2020 starteten wir unsere Versuche am Fraunhofer-Institut in Stuttgart. Nach intensiven Recherchen und Tüfteln an der Rezeptur setzten wir drei Lösungen in drei großen Fässern an. Nach diesem Schritt begann der Gärprozess. Die Gärung ist ein biologischer Prozess unter Ausschluss von Sauerstoff. In Abwesenheit von Sauerstoff vermehren sich vor allem Mikroorganismen, die Verbindungen aus organischem Material für ihren Stoffwechsel nutzen. Dabei setzen sie (ähnlich einer Biogasanlage) Kohlenstoffdioxid (CO2) und Methan (CH4) frei. So kann das organische Material in der Lösung abgebaut werden, während gleichzeitig ein Großteil der anorganischen Nährstoffe erhalten bleibt.

Nach dem Gären wollten wir die Lösungen an Pflanzen testen. Doch bevor die Lösung zu den Pflanzen gegeben werden kann, muss sie belüftet werden. Bei diesem Belüftungsprozess geschah das, was leider zu unserem wissenschaftlichen Alltag gehört: der erste Versuch war nicht erfolgreich. Wir mussten enttäuscht zusehen, wie immer mehr Flüssigkeit aus den Lösungen entwich. Letztendlich blieben nur Trockenreste, die wir nicht weiterverwenden können. Aktuell sind wir dabei, genau herauszufinden, wie der Versuchsaufbau verbessert werden kann, um dieses Phänomen zu vermeiden.

Analyse und Evaluation laufen

Die meisten Pflanzen wachsen am besten, wenn sie ausreichend Stickstoff in Form von Nitrat (NO3) aufnehmen. In Abwesenheit von Sauerstoff vermehren sich aber vor allem die Mikroorganismen, die den Stickstoffverbindungen zu Ammoniak und Ammonium (NH4+) umsetzen. Ammonium ist ebenfalls eine Stickstoffverbindung, die allerdings in zu hohen Konzentrationen toxisch für Pflanzen ist. In der hydroponischen Lösung kommt es auf das richtige Verhältnis von Nitrat zu Ammonium an. Ein Weg das Ammonium zu Nitrat umzusetzen ist der Prozess der Nitrifikation. Dabei wird das Ammonium im ersten Schritt zu Nitrit (NO2) und im zweiten Schritt zu Nitrat oxidiert.

Im Stickstoffkreislauf von Ökosystemen spielt die Nitrifikation eine große Rolle, da sie das aus abgestorbener Biomasse freigesetzte Ammonium wieder in Nitrat überführt. So entsteht für Pflanzen stickstoffhaltiger Mineralnährstoff. Für die Nitrifikation braucht es reichlich Sauerstoff, damit sich die entsprechenden Bakterienkolonien, die »Nitrifikanten«, ausbilden. Dieses Prinzip wollten wir für unsere Nährstofflösung nutzen. Für Taleb ist eine solarbetriebene Belüftung umsetzbar. Wir setzten also den Belüftungsprozess in kleinem Maßstab für vier Wochen an.

Über diesen Zeitraum haben wir regelmäßig Flüssigkeitsproben für chemische Analysen entnommen. Dabei beobachteten wir, dass ein Teil des Flüssigkeitsvolums durch die kontinuierliche Belüftung verdunstete. Die angeschlossene Waschflasche am Gasauslass konnte einen größeren Flüssigkeitsverlust vermutlich nicht verhindern. Das kontinuierliche Belüften, die niedrige Luftfeuchtigkeit im Labor und der Versuchsaufbau, der zur Außenatmosphäre geöffnet war, führten dazu, dass immer mehr Flüssigkeit aus dem Reaktor entwich.

Wir ließen den Versuch bis zum Ende laufen, um Erkenntnisse über die Nitratkonzentration zu gewinnen. Aktuell arbeiten wir an einem optimiertem Versuchsaufbau. Im nächsten Ansatz werden wir ein größeres Versuchsvolumen nutzen und den Versuchsaufbau mit größeren Waschflaschen vor unerwünschten Verlusten schützen. Zudem werden wir auf eine höhere Anzahl Nitrifikanten in der Lösung achten. Dies könnte durch »Beimpfen« erreicht werden. Bei diesem Prozess wird Material mit Nitrifikanten (z. B. Klärschlamm) hinzugegen. Hier müssen wir genau prüfen, welche Materialien bei hydroponischen Systemen in Talebs Umgebung verwendet werden können. Da Nitrifikanten allerdings nur sehr langsam wachsen, überlegen wir, den Belüftungsprozess zu drosseln und zu verlängern.

Unsere Weiterentwicklung: Nährstofflösung aus dem Teebeutel

Unsere Erfahrungen aus dem ersten Versuchsansatz hat uns auf eine neue – vielleicht sogar bessere – Idee gebracht: Komposttee. Dabei werden Kompost oder andere organische Feststoffe in eine Art Teebeutel gefüllt und in den belüfteten Reaktor gehängt. Die Feststoffe werden somit zurückgehalten und die Nährstoffe lösen sich im Wasser. Wir werden außerdem weitere Ausgangsstoffe für die Rezeptur testen, die im algerischen Flüchtlingscamp für Taleb sowie in vergleichbarem Umfeld verfügbar sind – z. B. Tierknochen. Leider beeinträchtigen die Schutzmaßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie unsere Arbeit in den Laboren. Ein geregelter Betrieb ist aufgrund der aktuellen Lage (Lockdown und Homeoffice-Regelungen) nicht möglich und wir können momentan keine Versuche starten. Deshalb müssen wir diese Versuchsreihe zunächst zurückstellen.

Mehr Wirksamkeit durch internationale Vernetzung

Aber auch aus dem Homeoffice können wir »GreenUp Sahara« voranbringen. Wir nutzen die Zeit, um den Stand der Wissenschaft festzuhalten und mit der Community zu teilen. Aktuell arbeiten wir an einem Review zu organischen Nährstofflösungen in hydroponischen Systemen. Ein Review ist eine wissenschaftliche Veröffentlichung, die den aktuellen Stand der Wissenschaft zu einem Thema zusammenfasst. Diesen wollen wir Menschen zur Verfügung stellen, die über den Globus hinweg an Hydroponik forschen und in Projekten umsetzen. Wir engagieren uns dafür im neu etablierten und digital organisierten Netzwerk »H2Grow Platform« des World Food Programme (WFP).

Die Kick-Off-Veranstaltung fand vergangenen Oktober als »H2Grow Research Event« statt. Zahlreiche Expertinnen und Experten unterschiedlicher Organisationen nahmen teil und diskutierten ihre Forschung zu Hydrokulturen. Mit einem Workshop zu Nährstofflösungen konnten wir einen Beitrag dazu leisten. Ich hatte Gelegenheit, unsere bisherigen Erkenntnisse zu den organischen Nährstofflösungen vorzustellen. Die Teilnehmenden bestätigten anschließend unsere Einschätzung, dass organische Nährstofflösungen der Schlüssel zu funktionierenden und ertragreichen Hydroponik-Systemen sind. Wir sind also auf dem richtigen Weg und freuen uns über weitere Weggefährten. Die Highlights des »H2Grow Research Events« könnt ihr euch hier ansehen:

Vielen Dank für die warmherzigen Nachrichten und euer motivierendes Feedback, das uns in den vergangenen Wochen erreichte. Wir geben euch ein neues Update, sobald ein geregelter Laborbetrieb wieder absehbar ist und unsere zweite Versuchsreihe startet.

Bei Fragen meldet euch gern bei mir, Alexandra oder Vera, die diesen Blog koordinieren.

Bleibt gesund und grüne Grüße
Marc und das gesamte GreenUp Sahara-Team

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