Talebs Hydrokultur im Flüchtlingslager bei Tindouf (Algerien) und Projektupdate

Taleb und das durch Sandkultur gezogene Gemüse

In unserem letzten Blogartikel haben wir über die Herausforderungen berichtet, die bei Hydrokulturen in ariden Gebieten verstärkt auftreten. Heute wollen wir euch einen Einblick geben, wie der Ingenieur Taleb Brahim ein Hydrokultur-System in der algerischen Wüste entwickelte und wie solche hydroponischen Systeme unter extremen klimatischen Bedingungen funktionieren können. Außerdem wollen wir euch einen kurzen Einblick in den aktuellen Projektstatus geben.

Situation im Flüchtlingscamp bei Tindouf (Algerien)

Taleb lebt mit tausenden anderen Sahrawi-Flüchtlingen in einem Camp bei Tindouf in der algerischen Wüste. Um der fortwährenden Lebensmittel- und Wasserknappheit entgegenzuwirken, entwickelte er mit dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) ein wassersparendes Hydrokultursystem. Mit diesem kann Gerste als Tierfutter angebaut werden. Damit hat die Bevölkerung Zugang zu nahrhafter frischer Milch von Ziegen und Kamelen. Mit unserem Projekt wollen wir Taleb dabei unterstützen, sein System so weiterzuentwickeln, dass neben Gerste auch Gemüse und Salat angebaut werden können. 

Aufbau von Talebs Hydrokultur in der algerischen Wüste

Taleb arbeitet ständig an neuen Möglichkeiten, seine Anbaumethoden zu optimieren. Sein geschlossenes System nutzt den Ablauf des Gerstensystems, um durch Zugabe von Nährstoffen auch Gemüse anzupflanzen. Die pfiffige Idee nutzt das Prinzip des hydroponischen Anbaus, ist eigentlich aber eine Art Hybridsystem. Die Pflanzen wachsen im Sand, unter dem eine Drainage gelegt wurde. Über Tröpfchenbewässerung (Drip System) werden die Pflanzen so mit einer Nährstofflösung und Wasser versorgt. Da Sand sehr durchlässig ist, kann das Wasser mit dem Drainage-System wieder aufgefangen werden und zurück in das Wasserreservoir geleitet werden. Somit ist es für weitere Anwendungen nutzbar und das Gesamtsystem dadurch hocheffizient und ressourcenschonend. 

Die Infografik zeigt den Aufbau eines hydroponischen Systems und einer Sandkultur.

Rezeptur eines organischen Düngemittels

Für die Entwicklung einer Nährstofflösung, mit der die Pflanzen gedüngt werden sollen, nutzt Taleb ausschließlich biologische Materialien, die vor Ort verfügbar sind. Damit die Pflanzen in den Gewächshäusern optimal wachsen, müssen ausreichend Stickstoff, Phosphor, Kalium und weitere Nährstoffe in der Lösung vorhanden sein. Dafür verwendet Taleb u. a. Eierschalen, Teeblätter und andere Ressourcen. Die ersten Ansätze des Flüssigdüngers enthielten jedoch noch zu wenig Stickstoff für die Pflanzen, die entsprechende Mangelerscheinungen zeigten. Lokale Quellen für nutzbaren Stickstoff (z. B. Nitrat) sind schwierig zu identifizieren. Zwar enthält Urin von Tieren und Menschen große Mengen, sind jedoch entweder schwer zu sammeln (Tiere) oder in der Bevölkerung nicht akzeptiert (Mensch). 

Eine weitere Herausforderung bei organischen Düngemitteln ist die hohe Anfälligkeit für Verunreinigungen. Je nach Qualität der Eingangsstoffe können Kontaminationen auftreten. Beimischungen von Chlor würde zwar das Wasser desinfizieren, könnte aber auch die für die Nährstofflösung »nützlichen Mikroorganismen« beeinträchtigen. Hohe Unsicherheit und Variation begleiten somit die Entwicklung der Nährstofflösung vor Ort. Zielführend wäre die systematische Analyse der Nährstoffkonzentrationen in den verschiedenen Ansätzen des organischen Flüssigdüngers. Damit ließ sich das Verfahren konsequent und zeitsparend weiter optimieren.

Die Suche nach der optimalen Stickstoffquelle

Wir vom Fraunhofer-GreenUp Sahara-Team unterstützen Taleb nun bei der Herstellung und Optimierung der Nährstofflösung von Deutschland. Dafür tausche ich mich regelmäßig mit Taleb aus. Gemeinsam versuche ich mit meinen Forscher-Kollegen eine alternative Stickstoffquelle zu identifizieren. Das Kompostieren der Materialien könnte weiterhelfen und den Stickstoffgehalt der Nährstofflösung erhöhen. Möglicherweise könnte auch Aquaponik eine Lösung sein und Talebs hydroponisches System weiterentwickeln. Das Wasser, in dem Nutzfische in aquaponischen Systemen aufgezogen werden, könnte ausreichend Stickstoff beinhalten und sich als alternative Nährstofflösung eigenen. In Algerien wird bereits an vielen Orten zu Aquaponik geforscht.

Unsere nächsten Schritte

Die Corona-Krise hat unser Vorhaben etwas verkompliziert. Zwar gibt es bisher kaum Coronafälle in den Lagern aber noch eingeschränkte Reise- und Bewegungsmöglichkeiten. Daher werden wir auf absehbare Zeit auf einen Besuch des Camps in Algerien verzichten müssen. Aber wir bleiben an unserem Vorhaben dran! Wir gestalten die Zusammenarbeit neu: Wir stimmen uns nun noch enger digital mit Taleb ab. Ziel ist es, eine Rezeptur für eine Nährstofflösung zu entwickeln, die die Möglichkeiten vor Ort berücksichtigt. Das heißt, wir diskutieren die Zusammensetzung der Nährstofflösung und mögliche Zutaten. Diese beschaffen wir in Deutschland und testen in unseren Laboren, wie sich die Nährstoffzusammensetzung optimieren lässt. Vielversprechende Rezepturen werden dann am Fraunhofer UMSICHT in hydroponischen Systemen in Klimakammern getestet. 

Sobald Reisen von Algerien nach Deutschland wieder uneingeschränkt möglich sind, werden wir Taleb nach Deutschland einladen und mit ihm die Fortschritte diskutieren und weiterentwickeln. 

Bei Fragen, meldet euch gern bei mir, Alexandra oder Vera, die diesen Blog koordinieren.

Bleibt gesund und grüne Grüße
Marc und das gesamte GreenUp Sahara-Team

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