URBAN FOOD MARKET

Kreislaufwirtschaft trifft Kiez

Das erste Szenario ist als übergreifendes Szenario zu verstehen und beleuchtet das Potenzial von technologischen Innovationen in der urbanen Landwirtschaft und neuen Handelskonzepten wie dem „Hybrid Food Retail“ und thematisiert aus gesellschaftlicher Perspektive den steigenden Informationsbedarf von VebraucherInnen.

Was wäre, wenn der Großhandel [Supermärkte] ein treibender Akteur im Wandel für urbane Landwirtschaft und dezentrale Lebensmittelsysteme wäre? Was wäre, wenn Supermärkte auf direktem Weg mit lokaler Gastronomie und Landwirtschaft kollaborieren, die durch neue Anbausysteme und -Technologien ihre Anbaufläche in der Stadt erweitern können? Was wäre, wenn ein Teil der Lebensmittel nicht mehr abgepackt aus dem Regal genommen, sondern vor Ort aus Hydrokulturen geerntet wird?

Wenn wir über die Zukunft des Essens reden, müssen wir beleuchten, dass im Jahr 2030 rund 80 Prozent unserer Lebensmittel in Städten verzehrt werden. Das wirft Fragen an die Versorgungskette auf – von der Herstellung über die Produktion bis hin zum Vertrieb. Denn neue Technologien ermöglichen effizientere, nachhaltigere und sicherere Anbau- und Verarbeitungsmethoden – auch in Städten. Kurzum: Es empfiehlt sich, nachhaltige Lebensmittelversorgung von Grund auf neu zu denken. Wie so etwas aussehen könnte, zeigen wir am Beispiel des URBAN FOOD MARKET. „Wir kommen zum Essen“ kriegt hier eine ganz neue Bedeutung.

Landwirtschaft erhält Einzug in die dicht besiedelte Stadt. Super Local Food: In hybriden Systemen produziert der Handel einen Großteil des Angebots frisch vor Ort und kollaboriert dabei mit urbanen LandwirtInnen und Gastronomie. Übervolle Standardregale mit plastikverpackten Produkten war gestern. „To grow“ ist das neue „to go“. Zwischen Dachgarten und Hochbeeten ernten VerbraucherInnen ihre Produkte teilweise selbst. Schlendern, riechen, verkosten… frische Produkte werden gleich vor Ort in kulinarische Erlebnisse verwandelt.

Modulare Anbausysteme wie Aquakultur, Gewächshäuser, Insektfarming oder Stammzellenkultur sind intelligent miteinander vernetzt. Von LED-Licht bis Nährlösungen: Die Bedingungen in den Räumen ermöglichen das ganze Jahr über optimale Ernten. Dabei bleibt die Tomate immer die Tomate.

Sogar regionale Papaya und Avocados gedeihen vor Ort. Und in Fermentations-Labs sorgen fermentierte Lupinen für neue Aromen. Es entsteht ein neues Food System, das das Bio Siegel und „Frei von“ Zertifikate trägt. Es entsteht eine Versorgung mit ganzjährig verfügbaren Produkten, die sowohl von Handel und Industrie, aber auch lokalen (Kleinst)ProduzentInnen hergestellt werden.

Umweltbildung und essbare Lehrgärten sind fest in Lehrplänen verankert, denn Ernährungsbewusstsein fängt bei den Jüngsten an: Woher kommen meine Lebensmittel? Der URBAN FOOD MARKET vermittelt Wissen mit den Händen in der Erde. So denkt kein Kind mehr, Kartoffeln wüchsen auf Bäumen. Abends beleben Veranstaltungen für ein breites Publikum und vielfältige Gastronomieangebote den Ort.

Diese neuen urbanen und modularen Anbausysteme, die auch Begegnungs- und Erlebnisräume sein können, schaffen maximale Nähe zum Essen sowie Transparenz rund um die Produktion von Lebensmitteln. Die kurzen Wege sparen neben Verpackungen auch Emissionen ein, kurz: es gibt einen geringeren CO2-Fußabdruck. Durch radikale Regionalität werden Liefer- und Wertschöpfungsketten nachvollziehbar.

Der modulare URBAN FOOD MARKET nutzt wertvolle Ressourcen im geschlossenen Kreislauf. Wasser versorgt sowohl Pflanzen in Hydrokulturen und dient der Aufzucht von Fischen. Städtische Abwasser- und Müllwerke sehen in der Lebensmittelkette eine Ressource. Endliche Mineralien wie Phosphat und Stickstoff werden zurückgewonnen und in den Ernährungskreislauf erneut eingespeist. Es gilt das Prinzip der technischen Innovationen, um Ressourcen zu schonen.

Ungenutzte Flächen fruchtbar machen oder Gärtnern ohne Boden: Durch das modulare, skalierbare System lässt sich Leerstand für Communities und Nahrungsmittelproduktion erschließen. Ob in Tunneln, leerstehenden Kaufhäusern oder Kellern: Überall lassen sich Lebensmittel anbauen. Und das in der kleinsten Nische in der Familienküche oder im großen Stil mit rotierenden Anbauflächen.

HINTERGRÜNDE ZUM SZENARIO

Die Systeminfografik basiert auf dem Forschungsprojekt „Cubes Circle“, das modulare Anbausysteme in Containern entwickelt. Neben Fischzucht, Gewächshäusern und Insektenfarming werden auch neue Module wie Pop-Up-Restaurants und -Shops, Fermentations-Fablabs, Mietküchen oder „Community Hydrokultur-Mietgärten“ aufgezeigt und zu einem fiktiven modularen hybriden Marktplatz kombiniert. Die Systeminfografik zeigt auch die Zusammenhänge des ersten übergreifenden Szenarios mit den restlichen Szenarien der Food Fictions Ausstellung auf.

Konzeptionell greift die Visualisierung den Ansatz des Hybrid Food Retail Trends auf, der hier zugespitzt dargestellt wird. Dieser Trend beschreibt die zunehmende Fusionierung vom Lebensmittelhandel mit anderen Akteuren, wie etwa der Gastronomie, um neue Konzepte und Einkaufserlebnisse zu schaffen.

Dieses Szenario wurde mit freundlicher Unterstützung von Stephan Becker-Sonnenschein (Gründer Global Food Summit) entwickelt, inspiriert von dem interdisziplinären Verbundprojekt “Cubes Circle” der Humboldt-Universität in Berlin, welches Teil der Initiative Agrarsysteme der Zukunft ist und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom Projektträger Jülich (PtJ) gefördert wird.

www.cubescircle.de

DER URBAN FOOD MARKET – DEMNÄCHST AUCH IN DEINEM KIEZ?

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