BACTERIAL FOOD

BAKTERIEN SCHLIESSEN DEN KREIS

Das letzte Szenario beleuchtet die Welt der Bakterien als Hüter unseres Darms und als Lebensmittelproduzenten (Fermentation). Denn auch der menschliche Körper ist eine wichtige Station in Lebensmittel-Kreisläufen: Natürliche Lebensmittel sind die unmittelbare Verbindung zu unserer Umwelt. Durch jeden Bissen gelangt ein unsichtbarer Teil unserer Umwelt in Form von Millionen Bakterien in uns, die Lebensmittel zersetzen, verarbeiten und unser Wohlbefinden steuern. Nach getaner Arbeit entsteht dabei ein Abfallprodukt, das für die Kreislaufwirtschaft eine wichtige Ressource darstellt. Geradeheraus gesagt: Healthy Shit.

Wie nehmen wir zukünftig Bakterien als unsichtbaren, aber relevanten Bestandteil unserer Ernährung wahr? Wie lässt sich das Mikrobiom für Lebensmittelindustrie und Esskultur nutzen? Wie pflegen wir mit Ernährung unseren „inneren Garten“? Wie verändert sich unsere Einstellung zur wertvollen Ressource “Stuhlgang”?

DAS SZENARIO

Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf die unsichtbaren, aber unentbehrlichen Protagonisten in unserem Ernährungskreislauf: Bakterien. Sie besiedeln jeden Quadratzentimeter unserer Haut, von den Achselhöhlen bis zu den Zehen. Besonders wohl fühlen sie sich in unserem Darm, der mit einer geschätzten Billion Bakterien zu den am meisten besiedelten Orten der Welt gehört. Tauchen wir von der Welt um uns nun tiefer ein in die Welt in uns.

Mikrobiom

Wer bin ich und wenn ja, wie viele? Wir verstehen uns weniger als Individuum, sondern vielmehr als Multiorganismus, der nur zu rund 10% aus menschlichen Zellen besteht. Bakterien werden nicht mehr als Pathogene, sondern als nützliche Helfer wahrgenommen. Dieser Wandel spiegelt sich auch in unserer Esskultur wider. In der Gastronomie spielt die Kultivierung von Bakterienstämmen eine Rolle bei der Konzeption der Speisekarte. Neben dem Nutriscore gibt es jetzt den Bacteriometer: Lebensmittel werden nicht mehr allein nach ihrem Fett-, Zucker- und Salzgehalt gekennzeichnet, sondern auch nach ihren Bakterienstämmen.

Mit jeder Mahlzeit nähren wir nicht nur uns, sondern auch unsere Bakteriengemeinschaft, das sogenannte Mikrobiom. Es ist vergleichbar mit einem Garten, den es zu hegen und zu pflegen gilt – wir ernten, was wir säen. Jedes Mikrobiom ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck und hat Einfluss auf Entstehung, Prävention und Therapie von Krankheiten. Über das enterische Nervensystem, das Hirn und Darm verbindet, steuert das Mikrobiom auch unser psychisches Wohlbefinden. Unsere Darmbakterien lassen sich durch Ernährung gezielt beeinflussen und fördern. Und das machen wir uns zunutze.

Ob zuhause oder im Community Ferment Lab: Traditionelle mikrobielle Lebensmittelverfahren wie Fermentation erleben ein Revival. Fertiggerichte und feste Mahlzeiten werden zunehmend durch probiotische Snacks abgelöst, die sich positiv auf unser Mikrobiom auswirken. Was ist süß? Was herzhaft? Unsere Gesellschaft mit deutlich reduziertem Fleischkonsum möchte auf den Geschmackskick „Umami“ nicht verzichten. Lokale Ressourcen werden derart exotisiert, dass die fermentierte Lupine die Avocado ablöst. Ein Fest für die Geschmacksknospen!

Die Nahrungsaufnahme dient nicht länger nur Energiezufuhr oder Genuss: Vielmehr ist Essen auch unser Kommunikationsmittel zum Mikrobiom. Der persönliche mikrobielle Fingerabdruck wird dabei Teil unserer Identität. Genomsequenzierungen übermitteln uns Informationen über den Zustand unserer Bakterienstämme. Darmbakterien wie Laktobazillen, Ruminococcus Bifidobakterien: Wer die Bakterienzufuhr nicht dem Zufall überlassen will, kann sein Mikrobiom „tracken“ und gezielt Bakterienstämme zu sich nehmen.

„Bacterial Seedbombs“ sind der neue Trend. Sie helfen, unseren inneren Garten zu kultivieren. Doch auch gesundes Essen und glückliche Bakterien müssen sich irgendwann von uns verabschieden. Und was kommt dabei (hinten) raus? Eine natürliche Ressource, deren Wert in der Bioökonomie bislang unterrepräsentiert ist. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte…

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HEALTH SHIT DEPOSIT:

Healthy Shit. Über diese wichtige Ressource wurde lange nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Der Stuhlgang als verlässliche Datenquelle zu unserer Gesundheit wird in der Gesellschaft zunehmend anerkannt, auch Fäkaltransplantation wird salonfähig. Unser Healthy Shit kommt als Dünger aufs Feld oder nährt die Module des URBAN FOOD MARKET. Gesunde Ernährung wirkt sich damit gleich doppelt positiv aus. Sie hat einen positiven Einfluss auf die Gärten in und um uns. Jeder Stuhlgang ist Erntezeit. So schließt sich der Kreis.

HINTERGRÜNDE
ZU SZENARIO UND ARTEFAKT:

Das Szenario wird begleitet durch reale Bakterienstämme, die bei der Fermentation von Lebensmitteln eine wichtige Rolle spielen und einige Beispiel-Fermente. Sie beleuchten die jahrtausendealte Kulturtechnik der Fermentation und hinterfragen, welche Rolle sie in der Zukunft einnehmen wird. Die geschwärzten Gläser stehen symbolisch für die unerforschten Licht- und Sauerstoff-scheuen Bakterien in unserem Mikrobiom, die sich unter unseren Lebensbedingungen zurzeit nur schwer beforschen lassen. Die spekulativen „Bacterial Seedbombs“ erzählen die Bedeutung der Bakterien in unserer Esskultur weiter und spekulieren über neue Ansätze von Nahrungsergänzungsmitteln in Form von gesunden „Snacks für zwischendurch“ oder als „Verdauerli“ nach dem Essen.

Mit dem Heathy Shit Artefakt wird die Geschichte der Food Fictions Ausstellung zu Ende erzählt und rückt eine tabuisierte Ressource ins Licht, die wieder zum Anfang des Lebensmittelkreislaufes führt.

Dieses Szenario wurde mit freundlicher Unterstützung der Bacteria Baristas Alexis Goertz und Jonas Grube von „Edible Alchemy“ entwickelt und mit Fermenten und Bakterienstämmen ausgestattet.

www.ediblealchemy.co

SIND BACTERIAL SEEDBOMBS DER NEUE SNACK?

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