Windparkoptimierung: Mehr Ertrag durch intelligente Betriebsführung

Durchströmt der Wind die Rotorfläche einer Windenergieanlage mit ihren rotierenden Blättern, so reduziert sich die Windgeschwindigkeit hinter der Anlage – sie entzieht dem Wind kinetische Energie, um sie in elektrische Energie zu wandeln. Dabei entstehen auch Verwirbelungen im Nachlauf der Anlage und die Windturbulenz erhöht sich. Um Flächen effizient zu nutzen, lässt es sich innerhalb von Windparks allerdings nicht vermeiden, dass Windenergieanlagen in bestimmten Windrichtungen vom Nachlauf der davorstehenden Anlagen beeinflusst werden. Dadurch können, je nach Windpark, Leistungseinbußen von etwa 5 bis 20 % entstehen. Außerdem erhöhen sich die Lasten der im Nachlauf stehenden Anlagen. Die Leistungseinbußen und der Einfluss auf die Lasten sind von verschiedenen Faktoren abhängig, insbesondere vom Parklayout, dem Betrieb der Anlagen, und den Umweltbedingungen am Standort.

Veränderte Betriebsführungen beeinflussen die Nachläufe

Durch eine intelligente Steuerung der Windenergieanlagen ist es allerdings möglich, die Leistungsverluste durch den Nachlauf deutlich zu reduzieren (Andersson et al. 2021). Eine seit einigen Jahren viel diskutierte Idee ist, die Gondel der vorderen Anlagen bewusst schräg zur Hauptwindrichtung zu stellen, um den Nachlauf seitlich abzulenken (siehe Abb. 1). Wissenschaftler*innen verwenden vereinfachte stationäre Modelle, um die optimale Schrägstellung der Anlagen zu finden. Am Fraunhofer IWES entwickeln und nutzen wir dazu unter anderem die IWES-Software FOXES (Farm Optimization and eXtended Evaluation Software).

Windparkoptimierungssoftware "Foxes"
Abbildung 1: Ablenkung des Nachlaufs von Windenergieanlagen (Wake Steering) für einen Beispielwindpark mit neun Anlagen. © Fraunhofer IWES

Simulationen, aber auch verschiedenen Feldstudien, zeigen, dass eine Schrägstellung der Anlagen zu höherer Leistung in diesen Einströmungssituationen führt. Für einzelne Windrichtungen ohne Windfluktuationen kann durch die Schrägstellung bis zu 80 % mehr Windparkleistung erzeugt werden. Im Jahresmittel, und unter Berücksichtigung von Fluktuationen und Unsicherheiten in der Windmessung, reduziert sich dieser Leistungszuwachs auf etwa 1 % der Jahresenergieproduktion. Für Windparkbetreiber kann dies bereits eine signifikante Steigerung des monetären Gewinns bedeuten – tatsächlich werden entsprechende Techniken bereits vereinzelt in Offshore-Windparks genutzt.
Eine vollständige Ablenkung des Nachlaufs durch eine Schrägstellung der Anlagen ist nicht möglich, dazu ist der Ablenkeffekt nicht ausreichend groß. Dies ist auch in Abbildung 1 zu erkennen. Deshalb kann es vorteilhaft sein, die Leistung von stromabwärts stehenden Anlagen gezielt zu drosseln oder sie sogar zeitweise vollständig abzuschalten: Die hohen Lasten – allerdings auf Kosten des Energieertrags – werden somit reduziert.

Einflussfaktoren auf jeden Windpark individuell betrachten

Welche Vorteile sich für den Betrieb eines Windparks über seine gesamte Betriebsdauer ergeben, hängt zusätzlich entscheidend von der Häufigkeit auftretender Situationen ab, in denen sich Anlagen gegenseitig abschatten. Die Häufigkeit ist dabei insbesondere von der jährlichen Windverteilung an dem Standort des Windparks sowie vom Parklayout abhängig. Die Vorteile von reduzierten Lasten zeigen sich erst am Ende der Lebensdauer eines Windparks, denn er kann dadurch länger betrieben werden. Damit können die möglichen Energieertragsverluste durch eine Abregelung wieder mehr als ausgeglichen werden.

Wir schätzen den individuellen Nutzen für einen Windpark ab, indem wir die gesamte Betriebsdauer betrachten und die Einflüsse aller relevanten Faktoren, insbesondere Energieertrag, Lebensdauer und Kostenersparnis, miteinbeziehen. Zudem berücksichtigen wir dabei mögliche auftretende Unsicherheiten auf verschiedenen Ebenen. Sowohl für die optimale Schrägstellung als auch für die Abregelung der Anlagen entwickeln wir am Fraunhofer IWES abteilungsübergreifend optimierte Methoden und untersuchen deren Auswirkungen ganzheitlich. Die Methodik und deren Ergebnisse zeigen Untersuchungen an dem Beispielwindpark aus Abbildung 1.

Beispiel 1: Optimale Nachlaufablenkung durch Schrägstellung

Für die mittlere Turbine dieses Parks zeigt Abbildung 2 die optimierte Schrägstellung und den Leistungsgewinn für jede Windgeschwindigkeit und Windrichtung. Unter Berücksichtigung der jährlichen Verteilung des Windes (Windrose) ergibt sich daraus ein Zuwachs an jährlicher Energieproduktion (AEP) von 1,26 % für diesen Beispielwindpark (Schmidt et al. 2021). Dieses Ergebnis hängt natürlich stark vom konkreten Windparklayout und der lokalen Windverteilung ab, darüber hinaus aber auch von den Unsicherheiten der Windmessung und der Rotorschrägstellung der Anlage.

Abbildung zur optimierten Schräganstellung und dem relativen Leistungsgewinn für alle Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten für die mittlere Anlage des Beispielwindparks aus Abb. 1
Abbildung 2: Optimierte Schräganstellung (links) und relativer Leistungsgewinn (rechts) für alle Windrichtungen (umlaufend in Grad aufgetragen) und Windgeschwindigkeiten (radial in m/s aufgetragen) für die mittlere Anlage des Beispielwindparks aus Abb. 1. © Fraunhofer IWES

Beispiel 2: Optimale Planung von Abregelung zur Ertragssteigerung bei verlängerter Lebensdauer

Die Lastreduktion für eine Anlage ist dann besonders effektiv, wenn sie in Situationen greift, in welchen der Schädigungseintrag im Verhältnis zur erzeugten Leistung besonders hoch ist. Dies ist auf Grund der erhöhten Turbulenz insbesondere bei Anlagen, die im Nachlauf von Nachbaranlagen stehen, der Fall. Wir haben darum eine Abregelungsstrategie entwickelt, die über die gesamte Lebensdauer für jede Anlage im Windpark und für jede Einströmungswindbedingung Leistungsvorgaben erzeugt. Dieser Prozess ist in Abbildung 3 für die mittlere Turbine des Beispielwindparks dargestellt. Für eine standortspezifische Windverteilung optimieren wir eine geplante Strategie für die Abregelung. Dadurch ergibt sich eine Ermüdungsschädigung, die im Vergleich zum Betrieb ohne Abregelung für einige Windbedingungen gezielt reduziert ist. Mit dieser Methode kann die Anlage länger betrieben werden und der Betreiber steigert sowohl seinen Energieertrag als auch den monetären Gewinn durch den verlängerten Betrieb. Dies zeigt die rechte Abbildung, bei der die Anlage ohne Abregelung nach 25 Jahren abgeschaltet werden muss (grüne Kurve, Abb. 3). Zum Vergleich ist dargestellt, wie sich der Profit bei dauerhafter Abregelung auf 90 % bzw. 80 % (blaue und orange Kurven, Abb. 3) entwickeln würde. Durch solch eine einfache Abregelungsstrategie lässt sich zwar die Lebensdauer verlängern, der Gewinn sinkt aber. Durch die optimierte Abregelungsstrategie verlängert sich die Lebensdauer der Anlage in ähnlichem Maße, aber bei nur geringfügig reduzierter Leistung. Am Ende der verlängerten Lebensdauer ergibt sich ein deutlich höherer Gewinn (rote Kurve, Abb. 3).  Eine solche geplante Betriebsführung ist parkspezifisch und wird mit unseren Methoden individuell für jede einzelne Anlage im Park automatisch entwickelt.

Prozess zur Erstellung einer geplanten, optimalen Betriebsführung einer Beispielanlage.
Abbildung 3: Prozess zu Erstellung einer geplanten, optimalen Betriebsführung einer Beispielanlage. Die Farbskala in der linken Abbildung gibt die Häufigkeit der jeweiligen Kombination aus Windgeschwindigkeit und Windrichtung an. © Fraunhofer IWES

Methoden für Kunden vielfältig anwenden

Die Beispiele illustrieren anschaulich das Potenzial verschiedener intelligenter Betriebsführungsstrategien für Windparks. Der Nutzen ergibt sich durch eine umfassende Betrachtung über die gesamte Lebensdauer einer Windenergieanlage.

Am IWES nutzen wir interdisziplinäre Kompetenzen und hausinterne Software, um alle Faktoren ganzheitlich zu betrachten. Das komplexe Zusammenspiel von Betriebsführung, Lasten, Ertrag, Wind- und Nachlaufmodellierung bilden wir somit bestmöglich ab. Daraus ergeben sich zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten: Diese reichen von Potenzialabschätzungen intelligenter Windparksteuerungen über die Validierung des tatsächlichen Ertragsgewinns bei dem Einsatz einer neuen Steuerung bis zur Entwicklung von intelligenten Strategien der Betriebsführung und deren Implementierung.

Mehr Informationen hier:

Wissenschaftliches Paper: Active Control of the Reliability of Wind Turbines

Vereinte Windenergie-Kompetenzen für virtuelle Turbinenmodelle

Anlagenbetrieb: Mit Regelung läuft es

Aerodynamik für Windenergieanlagen (fraunhofer.de)

Gondelprüfung und Untersuchung der elektrischen Eigenschaften (fraunhofer.de)

Quellen:

Andersson, Leif Erik; Anaya‐Lara, Olimpo; Tande, John Olav; Merz, Karl Otto; Imsland, Lars (2021): Wind farm control ‐ Part I: A review on control system concepts and structures. In: IET Renewable Power Generation 37 (11), S. 1703. DOI: 10.1049/rpg2.12160.

Schmidt, Jonas; Requate, Niklas; Vollmer, Lukas (2021): Wind Farm Yield and Lifetime Optimization by Smart Steering of Wakes. In: J. Phys.: Conf. Ser. 1934 (1), S. 12020. DOI: 10.1088/1742-6596/1934/1/012020.


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