Rotorblattlager: Lebensdauer valide berechnen

Basierend auf dem Paper „Fatigue lifetime calculation of wind turbine blade bearings considering blade-dependent load distribution

Die Lebensdauer von Rotorblattlagern ist schwer vorherzusagen. Die Anwendung bestehender Berechnungsmethoden erfordert ein umfassendes Systemverständnis und für die einzigartigen außergewöhnlich belasteten Blattlager sind die Methoden kaum validiert.

Kaum ein Lagertyp in der Industrie erfährt solch komplexe Lasten wie Rotorblattlager in Windenergieanlagen. Kräfte und Momente in allen sechs Freiheitsgraden treten in Abhängigkeit des Windes stochastisch auf – bei nahezu einzigartig großen Lagerdimensionen. Das Lager dreht sich dabei nur sehr wenig, um sich dem Wind anzupassen.

Genau das macht die Anwendung bestehender Berechnungsmethoden schwierig. Während für Ermüdung in herkömmlichen Wälzlagern schon seit den 50er Jahren verlässliche Berechnungsmethoden vorliegen, sind diese nicht ohne weiteres für Blattlager anwendbar: Sie basieren auf Tests kleinerer Lager, die voll rotieren und wiederkehrende Lasten erfahren.

Das National Renewable Energy Laboratory (NREL) sammelte daher 2009 in der „Wind Turbine Design Guideline DG03“ den Stand der Wissenschaft, um die Lebensdauerberechnung auch für Blattlager (und Azimutlager) durchführen zu können. Eine Berechnung, die auch der DNV GL seit 2016 vorschreibt. Für viele Sonderbedingungen die Rotorblattlagern widerfahren, gibt es dort Anpassungsmethoden. Besonders für die äquivalente Last – ein entscheidender Wert der Lebensdauerberechnung – werden zwei Methoden vorgeschlagen.  Die Internationale Organisation für Normung (ISO) bietet mit der ISO 16281 zudem eine weitere Möglichkeit, diesen wichtigen Wert zu berechnen.

Für eine Berücksichtigung aller relevanten Faktoren der Berechnung ist ein umfassendes Systemverständnis notwendig. Am Fraunhofer IWES existiert dafür mit der IWT 7.5 das Anlagenmodell einer Nearshore-Turbine mit 7.5MW Nennleistung. Für noch mehr Anwendungsnähe hat Enercon im Rahmen des öffentlich geförderten Highly Accelerated Pitch Bearing Test (HAPT)-Projektes einen IPC-Regler für das Anlagenmodell zur Verfügung gestellt. Damit können die Belastungen, die in 20 Jahren auf eine Anlage wirken, genau berechnet werden.

Für die Lasten, die das Lager erfährt, existieren ausgeklügelte Simulationsmodelle. Wir wissen, dass Anschlussbauteile für die Berechnung nicht vernachlässigt werden können und beziehen diese mit ein. Die Deformation am Lager kann somit exakt nachgebildet werden.

Abbildung 1: FE-Modell eines Lagers mi Rotorblatt und Nabe (gedrittelt) © Fraunhofer IWES / Florian Schleich
Abbildung 1: FE-Modell eines Lagers mi Rotorblatt und Nabe (gedrittelt) © Fraunhofer IWES/Florian Schleich

Mit diesen Voraussetzungen können Analysen durchgeführt werden, die sonst nicht möglich wären: Die äquivalente Last etwa kann man in verschiedensten Blattverstellwinkeln analysieren und zwischen den verschiedenen Berechnungsmethoden vergleichen. Dadurch kann untersucht werden, welche Blattposition das Lager schädigt und welche hingegen die Laufbahnen schont.

Abbildung 2: Äquivalente Last in Abhängigkeit von Pitch- und Lastwinkel des angreifenden Moments © Fraunhofer IWES / Oliver Menck
Abbildung 2: Äquivalente Last in Abhängigkeit von Pitch- und Lastwinkel des angreifenden Moments © Fraunhofer IWES/Oliver Menck

Die Berechnungsmethoden die sonst meist vereinfacht werden, können so detailliert und kompromisslos durchgeführt werden. Trotzdem zeigt sich ein ähnliches Muster wie in anderen Veröffentlichungen zu dem Thema: die ermittelte Lebensdauer ist sehr niedrig. Zu niedrig, um realistisch zu sein – denn Rotorblattlager halten im Feld meist länger als nur 107 Tage.

Hier besteht offenbar noch Forschungsbedarf: Wenn detaillierte, umfangreiche Berechnungen nach dem Stand der Technik und Wissenschaft nicht ausreichen, muss dieser ausgeweitet werden. Am Fraunhofer IWES gibt es dafür bereits eine umfassende Prüfinfrastruktur für Großwälzlager verschiedener Dimensionen, mit der wir die Bedarfe der Industrie bedienen können.

Quellen:

Paper: Fatigue lifetime calculation of wind turbine blade bearings considering blade-dependent load distribution

Germanischer Lloyd: DNVGL-ST-0361 – Edition September 2016, Machinery for wind turbines, 2016

ISO: DIN 26281:2010-11, Rolling bearings – Methods for calculating the modified reference rating life for universally loaded bearings (ISO/TS 16281:2008 + Cor. 1:2009), 2010a.

Harris, T., Rumbarger, J., and Butterfield, C. P.: Wind turbine design guideline DG03: yaw and pitch rolling bearing life, 2009

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