Klein aber fein – Skalierte Entwicklungsumgebung mit Hexapoden

Autor: Dipl.-Ing. Norbert Eich
Das Fraunhofer IWES hat eine Entwicklungsumgebung zur mechanischen Lasteinleitung für Forschungszwecke in Betrieb genommen. Verbesserte Regelungskonzepte und mechanische Fragestellungen können so schneller, kostengünstiger und parallel zum Produktivbetrieb erprobt werden. Damit erweitert das IWES sein Leistungsspektrum im Bereich der mechanischen Lasteinleitung des Gondelprüfstands am Dynamic Nacelle Testing Laboratory (DyNaLab)  in Bremerhaven. Der Gondelprüfstand ermöglicht so beispielsweise unter reproduzierbaren Bedingungen Netztests und Hardware-in-the-loop-Windlastsimulationen (HIL) durchzuführen.

Am Großprüfstand des DyNaLab testen wir für die Industrie Maschinenhäuser von Windenergieanlagen (WEA) im Labor in Realgröße. Ein wesentlicher Vorteil liegt darin, dass nicht auf passende Windverhältnisse gewartet werden muss, sondern diese über Antrieb und Lasteinleitung nachgebildet werden können. Diese Laborumgebung macht Planungen für Test- und Zertifizierungskampagnen verlässlicher und günstiger. Die Produkteinführungszeit wird verkürzt.

Das Konzept der Lasteinleitung über einen Hexapoden in dieser Größenordnung war bei der Inbetriebnahme des DyNaLabs in 2015 einzigartig. Wir betraten Neuland und stießen bei der Planung auf neuartige Herausforderungen: Zum Beispiel einen 70 t schweren Hexapoden mit seinen sechs Zylindern dynamisch so zu bewegen, dass gezielt Lasten auf die Welle einer montierten WEA aufgebracht werden können, um damit beispielsweise Rotorblattlasten nachzubilden.

Um das Lasteinleitungssystem (LAS) des DyNaLabs kontinuierlich zu verbessern und weiterzuentwickeln, reifte die Idee heran, auf einen skalierten Prüfstand auszuweichen, der zeitlich unabhängige Vorversuche und Prüfungen ermöglichte. Eine skalierte Entwicklungsumgebung versprach zudem mehr Unabhängigkeit von Schwertransporten und Mobilkränen. Auch Umbauten könnten somit von betriebseigenen Technikern zeitlich flexibler erledigt werden. Während auf dem DyNalab noch die aktuelle Prüfkampagne läuft, könnte gleichzeitig auf der skalierten Entwicklungsumgebung bereits die Regelstrategie des folgenden Kunden programmiert und getestet werden.

Einer unserer Zulieferer entwickelte vor dem Bau des Gondelprüfstands DyNaLab bereits einen Prototyp des Hexapoden, um die Regelungsstrategien und die ausgewählte Hardware vorab zu validieren. Dieser Prototyp verfügte bereits über die Regelungskomponenten und den Quellcode für den Großprüfstand DyNaLab. Die Versuche mit dem Prototyp zeigten, dass die Kombination aus Automatisierungstechnik und Hydraulikregelung präzise und dynamisch funktionierte.

Skalierte Entwicklungsumgebung am DyNaLab in Bremerhaven, © Fraunhofer IWES/Norbert Eich

Diese Überlegungen flossen in das 2018 begonnene Forschungsprojekt LastVal – Validierung eines MN Krafteinleitungssystems ein und konnten so systematisch wissenschaftlich untersucht werden. Das Projekt LastVal eröffnete uns die Möglichkeit, eine Kalibriereinheit am DyNaLab-Prüfstand zu montieren. Somit stand uns ein unabhängiges Referenzmesssystem zur Verfügung, gegen das die eingeleiteten Lasten in zwei Prüfkampagnen abgeglichen werden konnten. Die Genauigkeit, aber auch die Dynamik des Hexapoden vom Gondelprüfstand konnten dadurch verbessert werden.

DyNaLab mit montierter Kalibriereinheit zum Abgleich der Lasteinleitung, © Fraunhofer IWES/Norbert Eich

Im Rahmen des Projekts LastVal wurde auch die skalierte Entwicklungsumgebung ergänzt. Unsere gewonnenen Erfahrungen aus drei Jahren Prüfstandsbetrieb mit verschiedenen Industriekunden flossen in die Umsetzung der skalierten Entwicklungsumgebung ein. So wurden zum Beispiel die Hydraulikzylinder um unabhängig messende Kraftmessdosen ergänzt, welche die erreichbare Genauigkeit bei der Lasteinbringung erhöhen. Für dynamische Lastszenarien und Windmodelle verfügt die skalierte Entwicklungsumgebung zudem über eine HIL-Schnittstelle.

Die Prüfszenarien, die wir am DyNaLab mit montierter Kalibriereinheit durchführen, fahren wir bereits mit der skalierten Entwicklungsumgebung nach. Damit kann eine Vergleichbarkeit hergestellt werden. Nach der erfolgreichen Inbetriebnahme steht die skalierte Entwicklungsumgebung nun auch der Forschung zur Verfügung. Beim IWES haben wir zudem spannende Themen für studentische Arbeiten.

Auch im aktuellen Forschungsprojekt „VirtGondel – Entwicklung eines digitalen Abbildes des Gondelprüfstandes zur Erarbeitung fortschrittlicher Prüfmethoden und effizienterer Testkampagnen wenden wir die skalierte Entwicklungsumgebung an. Wir nutzen sie, um die Subsysteme, wie Hydraulik, Strukturkomponenten und Regelung der Lasteinleitung des DyNaLabs, an ihrem skalierten Äquivalent zielführend und beschleunigt modellieren und validieren zu können. Am IWES erarbeiten und erproben wir laufend weitere Optimierungen, die in unsere Forschung einfließen.

Mehr Informationen hier:

Gondelprüfung und Untersuchung der elektrischen Eigenschaften (fraunhofer.de)

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