Großskalige Windparkeffekte – Ein zentraler Beitrag zum wirtschaftlichen Betrieb eines Windparks?

Bereits seit dem Beginn der Errichtung der ersten Windparks in den 1980er Jahren war der Einfluss der Windenergieanlagen auf die Strömung – der sogenannte Nachlaufeffekt – ein Schwerpunkt vieler Untersuchungen nicht nur in der Windenergieforschung, sondern auch in industriellen Anwendungen. Als Nachlauf wird der von der Rotorfläche stromabwärts befindliche Bereich bezeichnet. Auf Grund des Impulsentzugs aus der Strömung weist dieser Bereich eine reduzierte Windgeschwindigkeit und durch die Vermischung des Rotors einen erhöhten Grad an Turbulenz auf.

Relevanz der Nachlaufverluste Onshore und Offshore

Bei bestimmten Windrichtungen- und geschwindigkeiten und dichten Abständen zwischen den Anlagen können die Nachlaufverluste bis zu 30 % betragen – sowohl an Onshore- als auch an Offshore-Standorten. Ein optimiertes Layout für einen typischen Offshore-Windpark sorgt jedoch dafür, dass die Nachlaufverluste insgesamt im Bereich von 10 % oder weniger des potenziellen Jahresenergieertrags liegen. Die Nachlaufeffekte sind daher einer der Hauptfaktoren, die Gutachter*innen und Wissenschaftler*innen in Betracht ziehen, wenn sie den zukünftig zu erwartenden Ertrag eines geplanten Windparks berechnen. Durch die höheren Umgebungsturbulenzen in der Anströmung und damit einhergehende Durchmischung sind Onshore-Nachlaufverluste üblicherweise weniger stark ausgeprägt als Offshore-Verluste. Das Windgeschwindigkeitsdefizit hinter dem Rotor ist somit schnell reduziert. Über dem Meer führt die ebenere Oberfläche zu einer konstanteren Windgeschwindigkeits­verteilung mit der Höhe und damit einer beträchtlich weniger turbulenten Windressource als an Onshore-Standorten. Hieraus folgt, dass Offshore-Nachlaufeffekte langlebiger sind und sich typischerweise über größere Entfernungen erstrecken können.

In den letzten Jahren wurden immer größere Windparks errichtet. Moderne Offshore-Windparks zählen heutzutage stellenweise deutlich mehr als einhundert Windenergieanlagen. Solche großen Windparks sind in vielen Offshore-Ausbaugebieten weltweit zu finden, wie in der Nordsee in Europa, an der US-Ostküste in Nordamerika und in der Formosastraße zwischen China und Taiwan. Mehrere Offshore-Windparks in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander definieren sogenannte Windparkcluster: Diese Windparkcluster können mehrere Gigawatt installierter Leistung umfassen und daher beträchtliche Energiemengen aus der Strömung ernten und sie in elektrische Energie umwandeln. An Land existieren sehr große Windparks und Windparkcluster nur in weniger dicht besiedelten Gebieten wie den Great-Plains der USA und in Nordchina.

Seit Beginn der modernen Windenergienutzung wurden einfache Modelle verwendet, um Nachlaufverluste auszuwerten und die Leistungsabgabe eines Windparks zu berechnen. Diese in den letzten 40 Jahren entwickelten Modelle reichen von sehr einfachen technischen Ansätzen, die den Nachlauf einfach nur über eine hutförmige oder gaußförmige Zone mit reduzierter Windgeschwindigkeit berücksichtigen, bis hin zu aufwendigen turbulenzauflösenden Large-Eddy Simulationen (LES). Wegen der hohen Berechnungskosten für größere Windparksimulationen können LES von Windparkclustern derzeit nur auf modernen Höchstleistungsrechnern durchgeführt werden. Sie sind jedoch ein sehr sinnvolles Werkzeug für vertiefte wissenschaftliche Nachlauf­untersuchungen. Während einerseits Nachlaufmodelle in der Planungsphase von Windparks gute Abschätzungen der erwarteten Erträge ermöglichen, ist andererseits die Unsicherheit bei der Nachlaufmodellierung immer noch einer der größten Beiträge zur Gesamtunsicherheit, die letztendlich oft auch die Finanzierungskosten von Windparkprojekten bestimmt. Dies erklärt auch, warum Forschungsgruppen auf der ganzen Welt an einem besseren Verständnis der Nachlaufeffekte sowie an der Verbesserung der Modelle auf unterschiedlichen Genauigkeitsebenen arbeiten.

Clusternachläufe und der Global Blockage Effekt

Große Windparks und Windparkcluster gewinnen nicht nur eine große Menge an Energie aus der Strömung, sondern sind auch ein beachtliches Hindernis, das die atmosphärische Strömung passieren muss. Neben den Nachlaufeffekten stromabwärts großskaliger Cluster ist daher auch der Global Blockage Effekt (GBE) ein viel betrachtetes Strömungsphänomen.

Nachlaufeffekte bei Clustern können sich bei großen Windparks und Windparkclustern bis zu 100 km windabwärts erstrecken, wie Messungen mit bemannten Flugzeugen zeigen. Die Auswirkungen dieser Cluster-Nachlaufeffekte werden derzeit im vom Fraunhofer IWES koordinierten Projekt X-Wakes untersucht. Diese Cluster-Nachläufe sind nur bei bestimmten atmosphärischen Bedingungen besonders langlebig, insbesondere bei stabilen geschichteten Bedingungen. Diese entstehen, wenn die Meeresoberfläche kälter ist als die Luft darüber. Ist die Meeresoberfläche wärmer als die darüber liegende Luft, verschwinden Nachläufe oft innerhalb der ersten Kilometer stromabwärts des Windparks. Es ist immer noch schwierig, den Gesamteinfluss langreichweitiger Cluster-Nachlaufeffekte über die gesamte Lebensdauer eines Windparks zu berechnen. Wegen der mit diesen Windparkclustern einhergehenden großen Skalen erfordert die Evaluierung der Nachlaufeffekte Modelle, die Rechengebiete der Größenordnung von mehreren hundert Kilometern erfassen können.

Für diesen Zweck gibt es einerseits einfache Top-Down-Ansätze, die die erwartete Beeinflussung von großen Windparkinstallationen in Bezug auf beispielsweise eine stark vereinfachte Energiebilanz berechnen. Auch wenn diese Modelle helfen, die Sensitivität verschiedener Konfigurationen schnell zu untersuchen, sind sie gleichzeitig stark vereinfacht und beziehen nicht die tatsächlichen Formen der Windparks ein, sondern berechnen nur den Einfluss idealisierter unendlicher Windparks auf die Strömung.

Andererseits wurden Windparkparametrierungen für numerische Modelle der Windvorhersage – sogenannte mesoskalige Modelle – entwickelt, die für großräumigere Skalen und lange Zeiträume geeignet sind. Insbesondere in den letzten zehn Jahren wurden diese Modelle für wissenschaftliche Einzelfalluntersuchungen verwendet und für einzelne Strömungsverhältnisse validiert, beispielsweise mithilfe der oben erwähnten Daten fluggestützter Messungen. Validierungen über längere Zeiträume wie mehrere Monate oder sogar Jahre mit Ertragsdaten von Windparks gibt es nur wenige. Sie sind aktueller Forschungsgegenstand.

Windfeld von mesoskaligen Szenarienberechnungen
Abbildung 1: Windfeld von mesoskaligen Szenarienberechnungen im Kontext der Erstellung eines neuen Flächenentwicklungsplans. © Fraunhofer IWES

Kürzlich wurden durch das Fraunhofer IWES diese mesoskaligen Szenarienrechnungen auch im Kontext der Windparkplanung verwendet. Abbildung 1 zeigt die Windgeschwindigkeit in etwa 100 m Höhe, eine für die Deutsche Bucht typische Nabenhöhe, in der die Auswirkung von zukünftig geplanten Windparks in der Deutschen Bucht berechnet wurden. Einerseits sind große Flächen mit reduzierten Windgeschwindigkeiten sichtbar, insbesondere in der Mitte der großen zukünftigen Windparkcluster. Andererseits ist sichtbar, dass Gebiete ohne Windparks wie z.B. Schifffahrtsstraßen oder Naturschutzgebiete zu einer Erholung des Windfelds führen. Die Modellierung von großskaligen Windparks mit mesoskaligen Modellen ist daher sehr gut geeignet, die Auswirkung potenzieller zukünftiger Entwicklungspläne zu evaluieren.

Ein weiteres wichtiges Strömungsmerkmal, das mit der Entwicklung großer Windparks einhergeht, ist der sogenannte GBE. Der GBE beschreibt den kumulativen Effekt des Aufstauens der Strömung durch die windparkinduzierte Strömungsbehinderung. Für eine einzelne Windenergieanlagen wird dieser Effekt typischerweise Induktion genannt und erstreckt sich über eine Entfernung von etwa zwei bis drei Rotordurchmesser von der Turbine windaufwärts. Im Fall größerer Offshore-Windparks und Windparkcluster zeigten numerische Untersuchungen und auch erste Messungen stromaufwärts der Anlagen größere Bereiche mit einer reduzierten Windgeschwindigkeit. Die massive Struktur staut hier die Strömung in der unteren Atmosphäre. Die Größe des globalen Staueffekts hängt von der Größe des Windparks, seines Layouts, der Anlagendichte und den atmosphärischen Strömungsverhältnissen ab. In Bezug auf die jährliche Energieerzeugung verursacht der globale Staueffekt typischerweise eine Beeinträchtigung im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Bei stark optimierten Windparks können jedoch selbst diese relativ kleinen Zahlen heute eine signifikante finanzielle Rolle spielen.

Das derzeit laufende Projekt „Global Blockage Effect in Offshore Wind“ (OWA GlobE) ist eine internationale, industriegeführte Initiative, die eine große Offshore-Windkampagne begonnen hat, um den Staueffekt in großen Offshore-Windparkclustern zu verstehen. Ziel ist es, Validierungsdaten für die Entwicklung schneller, präziserer Modelle für die Windparkplanung bereitzustellen. Das Fraunhofer IWES kooperiert durch das Projekt X-Wakes mit dem OWA GloBE Projekt.

Ausblick: Was muss als nächstes getan werden?

Zusammenfassend gesagt, ergeben sich durch großräumige Windparkentwicklungen neue Fragen, die neue Modellierungstechniken und auch Validierungsdaten für diese Modelle erfordern. Der Zuwachs an Rechenleistung und die Forschung an neuen Modellierungsansätzen haben geholfen, in den letzten Jahren die Erkenntnisse zu großskaligen Windparkeffekten erheblich zu erweitern.  

Zukünftige Forschung wird helfen, die Unsicherheiten noch weiter zu verringern und dadurch die Stromgestehungskosten durch eine wirtschaftlichere Windparkplanung und dessen Betrieb zu verringern. Daher arbeitet das Fraunhofer IWES weiterhin an der Entwicklung neuerer Modellierungstechniken und deren Validierung und unterstützt dadurch eine kosteneffektivere, weltweite Expansion der Windenergie.

Mehr Informationen hier:

ILES Summer School 2021 (fraunhofer.de)
Anwendungszentrum ILES (fraunhofer.de)
Hydrogen Labs (fraunhofer.de)

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