Fortschritt als Notwendigkeit

Die neue Ampelkoalition hat sich unter dem Motto: „Mehr Fortschritt wagen“ viel vorgenommen für die Energiewende … könnte man annehmen. Tatsächlich hat sie sich vorgenommen, zunächst das Mindeste zu tun und das ist schon eine ganze Menge. Optimismus ist zwar durchaus angebracht, denn diese Regierung steht glaubwürdig zu den Zielen. Allerdings müssen jetzt alle Akteure liefern.

Die zentralen ideologischen Schlachten sind entschieden

Die neue Regierung steht und sie hat gleich zu Beginn große Erwartungen geweckt. Eine – methodisch nicht ganz saubere, aber anschauliche – Überschlagsrechnung für den Koalitionsvertrag sieht so aus: 178 Seiten à 35 Zeilen in ca. 1.460 Tagen umzusetzen, bedeutet ca. 4,3 Zeilen, also in etwa 1/2 bis 1 Absatz pro Tag, auch sonn- und feiertags.

Mit Blick auf die Energiewende manifestiert sich im Koalitionsvertrag allerdings nur, was sich gesamtgesellschaftlich in den vergangenen Jahren mit Blick auf die Klimapolitik vollzogen hat und wird erstmalig gleichzeitig hinterlegt mit einen starken Personaltableau, das auch große Expertise ausweist. Die großen Gegensätze zwischen Ökonomie und Ökologie existieren nicht mehr – auch wenn die erneuerbaren Energien natürlich nach wie vor Gegner haben – die Paris-Ziele gelten inzwischen glaubwürdig als gesetzt und es war sogar schon so weit, dass Industrie und Industrieverbände progressivere Positionen vertreten haben, als die alte Regierung. Bespielhaft steht dafür die jüngste „Klimapfade“-Studie des BDI.

Kostensenkung, je schneller, desto besser

Expert*innen-Schätzungen zufolge, können die Kosten für Onshore- und Offshore-Windenergie in Zukunft noch erheblich reduziert werden. In allen Anwendungen verringern sich die Kosten in einer Kostenprojektion für das Jahr 2035 um 17 bis 35 %, für das Jahr 2050 um 37 bis 49 %. Diese Kostensenkungen werden maßgeblich durch größere und leistungsstärkere Windenergieanlagen realisiert. Der Austausch von Altanlagen lässt die Stromgestehungskosten auch für bestehende Projekte kontinuierlich sinken.

Diese Entwicklung kommt natürlich nicht von allein. Der springende Punkt ist, dass die notwendige Senkung der LCoE, also „levelized cost of electricity“ bzw. „levelized cost of energy“ nicht nur durch die „economies of scale“ erreicht werden wird. Erst flankiert durch gezielte Forschung, wird die Kostenkurve zum günstigeren Ende nach unten gebogen.

Das gilt im Übrigen auch für die Wasserstofftechnologie, die noch am Anfang steht. Das Fraunhofer IWES steht hier beispielhaft für einen technologieübergreifenden bzw. -verbindenden Ansatz heimischer und anwendungsnaher Forschung.

Wir wissen viel über die Zukunft

Nicht jeder Forschungseuro ist dabei vielleicht unmittelbar gut angelegtes Geld – aber die Investitionen lohnen sich trotzdem. Diese Aussagen erscheinen zunächst widersprüchlich, sind sie aber nicht.

Wenn wir Annahmen über die Zukunft treffen, dann sind langfristige Prognosen oft einfacher anzustellen als Prognosen über die unmittelbare Zukunft. Wir wissen, dass ein „Weiter-So“ in der Politik zu einer Erderwärmung um ziemlich genau drei Grad führen wird, aber wir wissen nicht mit Sicherheit, ob es morgen kälter oder wärmer ist als heute.

Was wir also nicht wissen ist, ob ein Euro, den wir heute in die (Windenergie-)forschung stecken, sich sofort lohnen wird. Was wir aber sicher wissen ist, dass ein Ausbleiben von Investitionen langfristig sicher dazu führt, dass die Preiskurve vergleichsweise langsamer sinkt, als in einer Zukunft, in der wir 3,5 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts tatsächlich in Forschung und Wissenschaft investieren.

Was jetzt zu tun ist

Angesichts der Herausforderungen im politischen Tagesgeschäft (Corona, Rechtsextremismus, Fliehkräfte innerhalb der Regierungskoalition et cetera) und der Vielzahl der im Koalitionsvertrag beschriebenen Vorhaben, ist es mit Sicherheit erforderlich, kontinuierlich an die Aufgaben und Zusagen zu erinnern und auf deren Umsetzung zu bestehen. Denn es ist für die einzelnen Ankündigungen, Vorhaben und Ziele erst einmal offen, ob und mit welcher Konsequenz sie umgesetzt werden (können). So besteht für viele Punkte die Gefahr der „Erledigung durch Nichtbefassung“. Es ist an allen Akteuren, hier am Ball zu bleiben. Das „Einläuten des Jahrzehnts der Zukunftsinvestitionen“ beginnt heute.

Mehr Informationen hier:

Forschungsprojekte (fraunhofer.de)

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert