Anlagenbetrieb: Mit Regelung läuft es

Ein Regler oder eine Steuerung ist eine essenzielle Anlagenkomponente. Bei modernen Windenergieanlagen ist ein stabiler Betrieb ohne Regler gar nicht möglich.

Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IWES arbeite ich im Bereich Regelungstechnik für Windenergieanlagen (WEA). Dazu gehört die Entwicklung von WEA-Reglern, also das Aufstellen von Anforderungen, die Implementierung und letztlich die Validierung. In meiner ersten Arbeitswoche habe ich zu diesem Thema zunächst Literatur recherchiert. Mittlerweile entwickeln wir am IWES unsere eigene Toolbox und einen modularen Regler speziell für WEA. Die Modularität erleichtert es, Veränderungen einzubauen und macht den WEA-Regler flexibel hinsichtlich der Regelstrategien, indem Komponenten einfach ausgetauscht werden können. Der WEA-Regler kann somit schnell an neue Anforderungen angepasst und für unsere Forschung eingesetzt werden.

Regler zählen zu den wichtigen Komponenten einer WEA, im Allgemeinen wird aber wenig über ihre konkreten Eigenschaften gesprochen. Ich selbst finde Regler faszinierend, da dort alles zusammenläuft: Als zentrale Einheit verarbeitet der Regler alle Informationen des aktuellen Betriebszustands und der Umgebung der WEA. Er berechnet auf Basis des Anlagenverhaltens, wie die Reaktion der WEA auf veränderte Bedingungen sein soll, sodass eine optimale Energieausbeute erzielt und nichts beschädigt wird. Normalerweise geschieht das Eingreifen des Reglers dann durch eine Anpassung des Pitch-Winkels, des Drehmoments am Generator. An einen Regler werden hohe Erwartungen gestellt: Er muss jederzeit einwandfrei funktionieren – unter allen Gegebenheiten -, und darf nicht ausfallen. Genauer gesagt, sollen situationsbedingte Ausfälle vermieden werden, denn sie können zu einer Instabilität des Betriebs führen und Schäden an der Anlage verursachen. Hieraus ergeben sich spannende Fragen der Regelungstechnik wie z.B. „Wie sieht der optimale Betrieb aus?“, „Welche Dynamik kann ich erreichen?“, „Wie hoch ist die Robustheit?“. Die Suche nach den richtigen Antworten kann auch mal Kopfzerbrechen bereiten, denn falls der Regler nicht funktioniert, versuchen wir schnellstmöglich eine Lösung zu finden.

Meine Kolleg*innen am Dynamic Nacelle Testing Laboratory (DyNaLab) arbeiten mit mir gemeinsam an konkreten Lösungen mit Simulationsmodellen von WEA verschiedenster Leistungsklassen von 2,5 Megawatt (MW) bis zu 15 MW. Jede dieser Anlagen benötigt einen Regler, der einen stabilen Betrieb garantiert. Durch eine automatisierte Analyse des jeweiligen WEA-Modells, der Betriebsparameter und der Regler-Einstellung wird die Konfiguration für jede WEA bestimmt. In der Grafik ist der Erstell- und Anwendungsprozess für den IWES WEA-Regler dargestellt. Dieser deckt unsere Forschungsaktivitäten im Bereich Simulation am DyNaLab ab, die sich über standardisierte Anlagensimulationen bis hin zur Optimierung eines gesamten Windparks erstrecken.

Die IWES-Toolbox "Wind Turbine Research Controller" (WTRC)
Die IWES-Toolbox “Wind Turbine Research Controller” (WTRC) © Fraunhofer IWES

Bei der Entwicklung eines Reglers ist es für uns wichtig, immer das „Big Picture“ im Auge zu behalten. Für den Regler bedeutet dies, dass man Änderungen leicht vornehmen kann und eine gewissen Flexibilität vorliegt. Daher war es wichtig, von Anfang an einen modularen Aufbau zu berücksichtigen. Die Wiederverwendbarkeit von einzelnen Modulen erhöht die Flexibilität und verkürzt unsere Entwicklungsprozesse. Mit diesem Prinzip konnten wir unser parametrierbares Pitch-Regler Modell mehrfach verwenden und je nach Anlage andere Module für die Signalfilter auswählen: Jede WEA hat eine etwas andere Dynamik und stellt damit andere Anforderungen an die Signalverarbeitung. So konnten wir den spezifischen Anforderungen eines jeden einzelnen Anlagentyps gerecht werden, den Regler vielseitig einsetzen und Teilmodelle wiederverwenden. Unsere Methode funktioniert also ganz im Sinne der objektorientierten Programmierung, außer, dass wir statt ausschließlichen Programmcodes, Simulink-Modelle verwenden.

Wir haben unsere Methode bereits konkret in einem Industrieprojekt angewendet für die Bewertung einer neuartigen Sensorik zur Lastmessung. Diese Sensorik wollten wir ebenfalls in unserem Regler zum Einsatz bringen. Das Problem war, dass dieser Sensor ein neues Konzept darstellte und nicht ohne weiteres in die Regelung integriert werden konnte. Zuerst haben wir darum gemeinsam mit dem Kunden ein Sensormodell für die Simulation entwickelt und anschließend die Schnittstelle für ein Modul innerhalb des WEA-Reglers implementiert. Aufgrund der Modularität war das schnell möglich und wir konnten diese zusätzliche Auswertung in das Projekt integrieren. Die Bewertung erfolgte dann anhand unserer Simulationen, sodass wir innerhalb weniger Wochen das gesamte Projekt abschließen konnten.

In einem anderen Projekt haben wir unseren Regler innovativer verwendet: Konkret ging es um die Frage, ob sich durch eine intelligente Windparkregelung in einem Windpark mit 6 MW WEA Kostenvorteile für Betreiber ergeben. Herausfordernd war dabei, dass uns kein entsprechendes Anlagenmodell von der 6 MW WEA vorlag. Wir haben jedoch ein Modell einer 7.5 MW WEA (IWT 7.5-164). Unser Lösungsansatz: Wir betreiben die 7,5 MW genauso wie die 6 MW WEA, indem wir den Regler so verändern, dass die IWT 7.5-164 die Leistungskurve und den Schubkoeffizienten in Abhängigkeit der Windgeschwindigkeit der 6 MW WEA nachbildet. Gesagt, getan! Dafür waren einige Anpassungen der Einstellungskurven für das Generatordrehmoment und den Pitchwinkel des Reglers notwendig, letztendlich konnten wir aber das Verhalten der 6 MW WEA nachbilden und hatten so ein „neues“ Anlagenmodell.

Diese innovative Herangehensweise ist für mich das Besondere an der angewandten Forschung, denn hier können auch unkonventionelle Ansätze zur Lösung eines Problems herangezogen werden. Somit kann ich meine Kenntnisse ganzheitlich vertiefen.
Unsere IWES-Toolbox werden wir stetig weiterentwickeln und beschäftigten uns demnächst mit modellprädiktiver Regelung, in der eine z.B. eine Vorhersage der Windgeschwindigkeit genutzt wird, um die optimale Reaktion der WEA zu berechnen. Darauf freue ich mich schon.

Mehr Informationen hier:

Gondelprüfung und Untersuchung der elektrischen Eigenschaften (fraunhofer.de)

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